16 in die Literatur ein, indem es sie mit freierem Geist erfüllt. Diese zwei Klassen verleihen ihr seit dem 15. Jh. ein eigenes, von der alten Feudalverschlossenheit grundverschiedenes Gepräge: sie führen dann sowie die Popularisierung der Theologie herbei, so auch die Verbürgerlichung des Humanismus durch, der bis jetzt bloß eine Strömung innerhalb der Aristokratie repräsentierte. Diese Aristokratie aber war in der Fremde ausgebildet worden und richtete sich nach dem Schlagwort: odi profanum vulgus. Wie im übrigen Europa, zeichnete sich in Böhmen das Bürgertum des 15.-17. Jhs. keineswegs durch poetischen Sinn aus und vermochte anstatt Phantasie und Formalkultur nur Moralkritik des Lebens oder bestenfalls nur bodenständigen Realismus und Alltagshumor in die Literatur hineinzutragen; dieser Charakter des Bürgertums war zugleich mit einer ausschließlich religiösen Orientierung der cechischen Intelligenz bis in das 17. Jh. hinein die Ursache, daß das eigentliche dichterische Schaffen in Böhmen beinahe ganz verkümmert blieb und daß die schöne Literatur hatte nicht zur Entwicklung gelangen können. Die Verhältnisse verschlimmerten sich noch während des allgemeinen Verfalls nach der Schlacht am Weißen Berge, damals, als die ganz dünne literarisch produzierende Schicht nur von der gelehrten Priesterschaft gebildet wurde, die trotz ihrer Herkunft aus dem Volke unter der Einwirkung des barocken Humanismus der Poesie ferne blieb und überdies ein wirkliches literarschöpferisches Interesse kundzugeben fürchtete. Nebst dem Sprachverfall, dem Verlust der literarischen Tradition, der Auswanderung der Führerpersönlichkeiten ins Ausland, nebst der politischen und seelischen Gebundenheit, neben dem Schwinden des Nationalbewußtseins - war eine nicht zu geringschätzende Folge der Niederlage am Weißen Berge für die cechisehe Literatur der Umstand, daß sie vollends ihrer gebildeten Gesellschaftsklassen beraubt wurde, die literarisch schuten, die Literatur pflegten und in sich aufnahmen; nur in der anonymen Volksklasse war die Schöpferkraft nicht erstorben und sammelte ihre Kräfte für eine bessere Zukunft. Der Adel war für die Cechen gänzlich verloren, das Bürgertum verfiel der Entnationalisierung, nur der fluktuierende und geistig regsame Priester- und Gelehrtenstand, mochte er sich nur des Barocklatein oder des Aufklärungsdeutsch bedient haben, hütete und beschützte das zarte Flämmlein der Tradition vor gänzlichem Erlöschen. Behilflich war ihm dabei der Umstand, daß er selbst meistens den Volksmassen entstammte, innerhalb deren man cechisch dachte, empfand und sprach.