1- Maße als die übrige Literatur Europas. Die Russenbegeisterung, die auf politischem Gebiete keine geringe Demonstration bedeutete, erbrachte für die Kultur und insbesondere für die Literatur keine wahrnehmbaren Erfolge. Ähnliche Bewandtnis hatte es mit dem slavischen Gedanken, von dem in bezug auf Kollars Wechselseitigkeit und ohne Rücksicht auf die Slavjanophilie in Rußland, das geistvolle, wenn auch übertreibende Bonmot geprägt wurde, er sei made in Bohemia. Seit Palacky, bis auf Masaryk und Kramaf, erwies er eine ansehnliche politische·· Tragweite, indem er zugleich sehr ausgiebig das Nationalbewußtsein förderte; seit Jungmanns und Kollars Zeiten bis auf Svatopluk Cech und Holecek erklang er immer wieder als stolzes Programm und vorlaute Forderung, griff aber in den gestaltenden Organismus der Literatur nicht ein. Die Cechen wußten sich zwar für die Novemberrevolution Polens zu begeistern, sie nahmen auch unter Machas Führung von der älteren polnischen Romantik poetische Anregungen auf, in gleicher Weise, wie sie vorher beim polnischen Rokoko-Pseudoklassizismus in die Schule gegangen waren, aber das leuchtende Dreigestirn der Polenromantik fand gerade in Böhmen keinen nachhaltigen Widerhall. Ganz ähnlich waren die Südslaven Kopitar und Karadzic wohl in Fragen des·Studiums der Volks poesie Lehrer der zweiten Generation der Wiedererwecker in Böhmen und desgleichen ließ auch das serbische Heldenideal die spätromantischen Slavjanophilen unter den Cechen nicht gleichgültig; aber, sobald man einer tieferen Einwirkung der südslavischen Volksepik auf die cechische Dichtung forschend nachgeht, kommt man bis auf vereinzelte, durchaus nicht als typisch zu deutende Fälle, zu einem negativen Ergebnis. Gewiß können sich die C,echen mit ihren Übersetzungen bedeutender Werke aus fast allen Slavenliteraturen seit den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart ausweisen, aber sie dürften kaum behaupten, daß sie sich von ihnen befruchten ließen und in ihrer literarischen Entwicklung von den gleichen oder wenigstens analogen Strömungen bestimmt würden wie die übrige Slavenwelt; wiewohl eben bei ihnen die Lehre von einer gemeinslavischen Literatur als vom organischen Ganzen und einheitlichen Objekt der historischen Forschung zahlreiche Verfechter in Theorie und Praxis besitzt und dies auch außerhalb des Kreises romantisch veranlagter Geister. Die Westkultur, in die sich die Cechen bereits vor 1000 Jahren als Kettenglied völlig eingefügt haben und auf' die sie bisweilen