10 Protagonisten ihre Rollen darin rasch und unerwartet zu wechseln wissen. Manche von ihnen, wie N eruda oder Slädek, wandeln sich aus Theoretikern des Internationalismus zu eifrigen Predigern und ausdrucksvollen Darstellern der Nationalkunst; so mancher Koryphäe der Nationalschule, beispielsweise Svatopluk Cech, weist entschiedene Einflüsse der westlichen Literaturen auf; eben der konsequenteste Dichterkosmopolit Zeyer findet für die Tragik des Cechentums einen, alle andern übertreffenden, hinreißenden Ausdruck. Heimat und Welt, Böhmen und Europa, selbsterhaltende im Heimatboden wurzelnde Treue und das Lied der Sehnsucht nach den höchsten Gütern der Menschheit, das in den Baumkronen rauscht, dies war die Kontrapunktik der cechischen Literatur und wird es sicher auch bleiben. Es kann auch nicht anders sein bei einem Volke, das durch seIn Schicksal bis an die Kulturkreuzwege Mitteleuropas vorgeschoben ist und in dessen Adern sich das Blut mehrerer Rassen mischt, die an diesem hochwichtigen und gefährlichen Knoten der Zivilisationsbahnen zusammentrafen, einander befehdeten, sich bald vermählten, bald wieder sich trennten, einander haßten und doch einander innerlich ergänzten, um wider den eigenen Willen den Beschluß der Vorsehung zu verwirklichen, die ja weder in dem Schicksal des einzelnen, noch im Schicksal der Völker eine allzu einfache Lösung zu lieben scheint. In der Morgenröte der cechischen Nationalgeschichte, in der Zeit, da gleichzeitig an zwei Orten die Versuche unternommen werden, aus den formlosen Stammesmassen ein wirkliches Staatsgebilde ins Leben zu rufen, und da mit der christlichen Lehre die ersten Anfänge einer literarischen Kultur im Entstehen begriffen waren, riß das siegreiche Vordringen und die Entstehung des magyarischen Staates die Cechen von dem südlichen und zum Großteil von dem östlichen Slaventum und zugleich für immer von der griechisch-byzantinischen Kultur ab, der sie zeitweise unterlagen; seit.dieser Zeit sind die Cechen dem Westen dauernd verfallen, der durch alte römische Traditionen und die lateinische Kirchenliteratur geeinigt worden war. Die vereinzelten religiösen und politischen Versuche, mit der russischen Orthodoxie in kulturelle Beziehung zu treten, mußten in der älteren Zeit vollends versagen; der Einfluß des Russischen auf die cechische Schriftsprache war in der Epoche Jungmanns zwar ein tiefgreifender, zeigte sich trotzdem aber nur von vorübergehender Bedeutung. Von dem russischen Realismus wurde die cechische Literatur offensichtlich beeinflußt, aber keineswegs etwa in einem höherEm