8 dankendisziplin unterordnet - wozu in den Ansätzen der neu~ cechischen Poesie J an Kollar einen zwar kühnen, aber unzulänglichen Schritt getan hat, das brachte mit seiner umfass~nden Dichterintelligenz und mit seiner· einzig dastehenden Formgabe Jaroslav Vrchlicky in ein folgerichtiges System, das machte sich endlich mit äußerst künstlerischer Zucht für die höchsten Gedankenflüge des cechischen Geistes Otokar Bfezina eigen und dienstbar. Es gibt wohl Kritiker, die dieses auf dem Gebiete der dichterischen Form wirklich revolutionierende Unternehmen für ein gewalttätiges Verlassen der heimischen Tradition halten und es zum Auswuchs einer gefährlichen Fremdensucht stempeln, aber auf alle diese im Grunde :edlen ,Befürchtungen und ehrliche Bedenken gibt es die Antwort, daß die fremden Kenner immer wieder erklären, wie ihnen geradezu aus der Dichtung Vrchlickys der echte slavische Gefühlston rein und hell entgegengeklungen, und wie aus den Hymnen und Visionen Bfezinas der cechische religiöse Grübelsinn :seiner ganzen: Sehnsucht nach Gotteswahrheit und nach sittlich-gesellschaftlicher Gerechtigkeit zu ihnen gesprochen habe, wie man sie nur aus den Gipfelerscheinungen der cechischen Geisteskultur des 15. Jhs. kennen lernen kann. So führt uns die Lyrik, die schwierigste und reifste Dichtungsart der cechischen Literatur, mit ihren Stilproblemen direkt in den Brennpunkt aller Lebensfragen des ganzen literarischen Schaffens der Nation ein. Denn das Ringen zwischen der heimischen Überlieferung einerseits und der europäischen Orientierung andererseits ist für die Ce ehen und für ihre Kultur von derselben Bedeutung wie etwa das historische Ringen zwischen dem Slavjanophilentum und dem Westlertum in Rußland. Der cechische Nationalcharakter schwankt allzeit zwischen zweI Extremen: zwischen der selbstgefälligen Überschätzung alles Heimischen, zwischen hartnäckiger Verehrung der einmal eingelebten Vorurteile einerseits und dem ungeduldig neugierigen Interesse für die allerjüngsten Strömungen der Fremde, der Bereitwilligkeit, sich ihnen mit sklavischer Nachahmung hinzugeben andererseits; dort Ausschweifungen eines extremen, bis zum Chauvinismus ausartenden Nationalismus, hier Verirrungen eines bis zum sterilen Fremdenliebe verzeichneten Kosmopolitismus, der über das Auffäll~ge und Sonderbare einer Kultur, ja, oft nur einer fremden Halbkultur, die althergebrachte heimische Bildung und Sitte und deren Entwicklungsmöglichkeiten vergessen macht. Nachdem man vor 100 Jahren angesichts der Wiedergeburt