4 mystischen Höhen nachstrebende Schöpfungen, sondern nur jene theologisch-religiös eingestellten Schriften, die sich von der Kritik der Kirche zu derjenigen der Gesellschaft erheben. Die Gesellschaftskritik nimmt freilich in ihrem folgerichtigen Altchristenprimitivismus mitunter sogar grandiose Formen an. Es war kein geringerer als Tolstoj, der einem von den besagten Werken eine geradezu europäische Bedeutung zugesprochen hat - nämlich jener großangelegten Anklage des Erdenlebens und der Wirklichkeit, die von dem radikalen Taboriten Peter Chelcicky verfaßt worden ist; man vergesse aber nicht, daß dieses Lob durch den Mund des hochbejahrten Tolstoj verkündet worden ist, und zwar in der Zeit seiner systematischen Ablehnung all dessen, was schöne Literatur im wahren Sinne des Wortes heißt. Solcherart lenkte der religiöse Geist, welcher die politische und kulturelle Geschichte des Cechentums an der Neige des Mittelalters und an der Schwelle der Neuzeit schafft, die Literatur von ihrer dichterischen Sendung ab, dämpfte ihr eigentliches Leben und entrückte sie auf diese Weise jahrhundertelang der Aufmerksamkeit der Welt. Im Zeitraum der napoleonischen Kriege, während der starken Wiedergeburtsbestrebungen aller ISlavenvölker, wurde das Religiöse von einer landeren kollektiven Geschichtstendenz abgelöst, von der nationalen Idee. Obwohl der cechische Nationalismus seine philosophische Grundlage und auch seine schlagendsten Gründe der deutschen Romantik, teilweise auch der revolutionären Gedankenwelt Frankreichs, entnommen hatte, konnte er doch auf einer althergebrachten heimischen Tradition bauen. Diese trifft man besonders in der deutschfeindlichen politischen Zuspitzung der Dalimilchronik, in den öffentlichen Kundgebungen Hussens und der Taboritenführer und endlich bei dem Jesuiten Balbin in der Zeit nach der Schlacht am Weißen Berge an. Allein seit Anfang des 19. Jhs. wurde der Nationalismus in der ganzen Geisteswelt der Cechen zu einer Haupttriebkraft, die das ganze kulturelle Geschehen regiert und sich ganz besonders die Literatur unterwürfig macht, indem sie mitunter zu absolutem Wert erhoben werden wird; erst nach dem Weltkriege, da sogar die kühnsten Hoffnungen der cechischen Patrioten durch die Schaffung einer ganz unabhängigen Cechoslovakischen Republik übertroffen waren, beginnt allmählich der Nationalismus sich seiner FührersteUung zu begeben. Dieser Nationalismus, wiewohl vom Feuer eines aufopfernden, schöpferischen Idealismus durchglüht, verleitet die Literatur oft zum praktischen Utilitarismus und be-