- 313 gabe, der stolzesten Herrschsucht und der zartesten Demut; seine Motivierung ist ebenso naiv wie in seinen Quellen. Im ganzen bieten diese berückenden und prachtvollen Werke eine Reihe von glänzenden Improvisationen ohne festere Komposition und feinere Psychologie. Allzuoft verliert sich Zeyers persönliche Eigenart in den buntbemalten, romantischen Kulissen verschiedener epischer Handlungen, die sich an das alte Volksepos anschlieCsen: in »Vysehrad« (1886, deutsch von O. Malybrok-Stieler) ist es Böhmens heidnische Urzeit, in der die übermenschliche Gestalt der hehren Fürstin Libussa emporragt, in den »Annalen der Liebe< (1889-1892, deutsch von O. Malybrok-Stieler) sind es glühend erotische Geschichten des ritterlichen Abendlandes; in der »Karolingischen Epopöe« 11895) ist es die Tafelrunde Karl des GroCsen, um nur seine umfassenden zyklischen Epen zu nennen. Von seiner Novellistik (eine sehr gute Auswahl bieten die »Geschichten und Legenden«, welche Harmuth Loukota ins Deutsche übersetzt hat) stehen am höchsten seine Legenden, in denen wir einem herrlichen Primitivisten von zartem religiösen Kinderherzen begegnen und von ihnen sind die tiefen »Legenden vom Kruzifix« (1895, deutsch von Com. Spera) wohl die schönsten. Sonst ermüdet in seinen Novellen die fieberhafte Hascheiei nach grellen Effekten, die verworrene Handlung, die ganz seichte Psychologie. Einen überaus mächtigen Eindruck hinterläfst jedoch Zeyers groCser, fast autobiographischer Roman »Jan Maria Plojhan (1891), in dem der Dichter sein innnerstcs Wesen blofsgelegt und poetisch verherrlicht hat. Hier enthüllt sich ganz klar seine glühende Sinnlichkeit und seine träumerische Schwärmerei, seine leidenschaftliche Exaltation in Religion und Liebe; sein aristokratischer Stolz und seine christliche Demut; sein intensives nationales Gefühl, das in der historisch-elegischen Stimmung sowie in den schmachvollen Demütigungen der nichtswürdigen Gegenwart seinen Nährstoff findet. In den letzten Kapiteln des herrlichen Buches wird der Leser an das Sterbebett des unglückseligen Helden geführt, das unter dem klaren Himmel Italiens steht, und da kann er in den gebrochenen Augen des Jan Maria Plojhar des Dichters eigene Verzweiflung lesen, der, des ewigen Spieles der leeren Illusionen müde, sehnsüchtig hofft, schon bald in dem sicheren Hafen des absoluten Nichts Anker zu werfen.