- 282 werden begangen, grelle und gellende Farben werden überaldick aufgetragen, pathetische Herzensergiefsungen und rhetorische Tiraden unterbrechen die bedenklich verwickelte Handlung; die freisinnige und antiklerikale Tendenz tritt stets in den Vordergrund. Während Karolina Svetlä in den 60. und 70. Jahren ungemein produktiv war, versiegte später ihre schöpferische Kraft. Verschiedene Zeitfragen reizten sie noch immer, ihren Standpunkt belletristisch klarzulegen; es entstanden jedoch nur geistvca1le Bekenntnisbücher , keine Kunstwerke mehr. Ihre grofse Persönlichkeit aber, die das ganze weibliche Geschlecht ihres Volkes in ihren Kreis zu bannen wufste, ragte hoch in stolzer Einsamkeit wie die einer Hohepriesterin des Idealismus bis zu dem Tod, der die fast siebzigjährige Greisin an der Jahrhundertwende getroffen hat. Die tragische Lebensauffassung , das edle psychologische Pathos, die grofszügige Stil einheit , die sich im Wesen von Karolina Svetlä vereinigen, sind bei keinem ihrer zahlreichen Mitbewerber auf dem Gebiete des Romans zu finden. Fast allen haben es die jungdeutschen Romandichter mit ihrer sozial·bürger. lichen Tendenz, mit ihrem fortschrittlichen Liberalismus, mit ihrer bequemen Theorie des Nebeneinander angetan; doch es vollzieht sich bei ihnen eine höchst bezeichnende Entwicklung von ausgesprochener Subjektivität und spätromantischer Sentimentalität zu einer objektiv epischen und realistischen Anschauung. Diese Schriftsteller, die mit überzeugter Teilnahme das Wachstum des liberalen cechischen Bürgertums betrachten, die für die Emanzipation des fünften Standes offene Augen haben und den für die cechische Nation durchaus bedeutungslosen Adel eifrig bekämpfen, wollten Bürger unter Bürgern sein und auf freiem Grund mit freiem Volke stehen. Doch ihre Gesinnung war viel besser als ihre Kunst. Sie wollten umfassende und lebensprühende Welt- und Zeitbilder geben, aber gaben nur beschränkte, matte Familienbilder; sie wollten in einer bunten Reihe gesellschaftliche Typen der modernen Grofsstadt und des unberührten Landes vorführen, aber brachten in ihren phantastisch romanhaften Gebilden die sozialen Klassen durch uneheliche Kinder mit geheimnisvollen Schicksalen und wunderlichen Liebschaften in Verbindung ; sie wollten ihrem Volke