- 431 zugleich doktrinäre Metaphysik geschaffen, die besonders in seinen melodischen )Meditationen« (1905) an den Tag tritt. Es hat eine geraume Zeit gebraucht, bevor sich auch die moderne cechische belletristische Prosa zu einer künstlerischen Höhe erhoben hat; ja in der stürmischen Periode der neuböhmischen Litteraturbewegung der neunziger Jahre trug es die Kritik schmerzlich, daß die von ihr beschützte und propagierte Gruppe der jungen Schriftsteller kein ebenbürtiges prosaisches Talent aufzuweisen hatte. Mit der teils ganz äußerlichen, teils psychologisch unbeholfenen realistischen Romantechnik, wie sie die von der russischen Litteratur beeinflußten Schriftsteller der achtziger Jahre ausgearbeitet haben, konnte sich die neue Generation nicht begnügen, und da sie auch an keine älteren einheimischen Vorbilder anknüpfen wollte, suchte sie abermals ihre Anregungen im Ausland. Der russische Gesellschaftsroman wirkte zwar noch immer tief und heilsam, aber bald wurde er durch den nachhaltigen Einfluß des französischen Realismus und Naturalismus verdrängt. Die kosmopolitische Schule der siebziger . und achtziger ] ahre hat es versäumt, die großen Romandichter der französischen Litteratur wie Balzac, Stendhal und Flaubert in das cechische Schrifttum einzuführen. Noch jetzt, dicht vor der ]ahrhundertwende erschien die grandiose Gesellschaftsmalerei eines Balzac, die kalt analytische Romanpsychologie eines Stendhal, die unpersönliche realistische Epik eines Flaubert, welche erst jetzt übersetzt wurden, als litterarische Neuheit. Dagegen verdrängte bei den kühnsten Neuerern der vorlaute Naturalismus der Zolaschen Schule mit all ihren psychologischen Unvollkommenheiten , stilistischen Geschmacklosigkeiten, plebejischen Manieren diese drei Klassiker des französischen Romans, für welche besonders der umsichtige Kritiker F. X. Salda systematisch geworben hatte. Zola selbst, der bei den patriotischen Litteraten der alten Schule in Böhmen verfehmt und verachtet war, hat in der neuen cechischen Prosa tiefe Spuren hinterlassen: es sind dies der Hang zur breiten, hymnusartigen Beschreibung, die ausführliche Milieuschilderung, das sensualistische Pathos in der Darstellung der seelischen Vorgänge. Die weit feineren naturalistischen Künstler traten dagegen in den Hintergrund; weder die nervösen Impressionisten Edmond und Jules de Gon-