- 419 Neuromantik flüchtet, bekennt sich Machar, wie manche zeitgenössischen Franzosen, zu antiker Harmonie, zu objektiver Gesetzmäßigkeit, zu klarem Rationalismus; in der Zeit, wo der verlockende Wahlspruch der gotisch-christlichen Wiedergeburt jeden schleichenden Obskurantismus, jeden siechen Aberglauben, jede dekadente Willensschwäche beschützen muß, entscheidet sich Machar für das antike Heidentum, für die Religion der schaffenden Kraft, des entwicklungsfröhlichen Lebens, des tätigen Willens. Es ist keine litterarische Mode, was Machar zu dieser neuen Entwicklungsphase gebracht hat; er selbst mußte den nervösen Pessimismus seiner Jugend, seine schmerzhafte Erotik, seinen sozialen und politischen Nihilismus überwinden. Darin kanseine männliche, wenn auch sehr einseitige Erscheinung den jungen Dichtern in Böhmen vorbildlich und segenreich sein; dort aber, wo Machars poetische Begabung unter dem Fluche der Tendenz, unter der allzu mechanischen Auffassung der Kunst so schmerzhaft leidet und manchmal zugrunde geht, muß die jüngere Generation andere, Machar oft entgegengesetzte Wege suchen. In diesem Sinne ist der Abfall der gegenwärtigen jungen Dichter in Böhmen von Machar nur zu begrüßen. Einen totalen Gegensatz zu J. S. Machar, dem klaren und scharfen Verstandesmenschen, bildet der verträumte und weiche Gemütsmensch An ton inS 0 va (geb. 1864), sein gleichaltriger Antipode. Sensitiv und zart wie kaum ein anderer, geht er den süßen Geheimnissen der einsamen Natur nach, betrachtet sehnsuchtsvoll, wie der weiche, blaue Nebel auf die ruhige Herbstlandschaft sinkt, wie das erste Morgenlicht die schlanken Äste der rauschenden Birken umwebt, wie der duftige Glanz des melancholischen Mondes die blühenden Wiesen und die schweigenden Friedhöfe verhüllt, wie die eisbedeckten Bergspitzen ernst und erhaben mit den Wolken sprechen. Aber dieser mit Jakobsen und Schlaf befreundete Impressionist, der die zartesten Schwingungen der Naturseele in seine berauschenden Verse zu bannen weiß, dieser Träumer, der die Wirklichkeit gern mit phantastischen und märchenhaften Zügen ausstattet, dieser sensitive Lyriker, dessen schmachtendes Herz von seinen Wunden nur in der stillen Einsamkeit genesen kann, fühlt sich leidenschaftlich in das moderne Lebensgewirre hineingezogen; sehnt sich immer von neuem nach Bitternissen der krankhaften Gesel- 27*