- 393 mechanischen und materialistischen Determinismus an den Tag; etwas Schwerfälliges, Formloses, Unbeholfenes ist seinen anspruchsvollen Romanen immer eigen. Ein Schüler der Russen ist in seinen Romanen auch der kurzsichtige Kritiker und engherzige Moralist J 0 s e f Lai c ht e r (geb. 1864), ein weitschweifiger Prosaiker, bei dem die chronikartige Durchführung und das schwere moralische Pathos eine wunderliche Zwittergattung erzeugen; nur in rein stofflichem Interesse wurzelt die Popularität seiner Zeitchronik "Za pravdou« (Die Wahrheitsucher«, 1898, deutsch von R. Saudek), die das soziale und politische Reformtreiben der cechischen Jugend aus den neunziger Jahren schildert; künstlerisch bedeutet dieses Buch so viel wie nichts. Bei Simacek und Laichter, den tüftelnden Moralpredigern und schwermütigen Sozialkritikern, verschwimmen allzu oft die Konturen, verblassen nicht selten die Charakterzüge, verschwinden manchmal die eigentlich realistischen Merkmale; einen förmlichen Gegensatz dazu bildet der knorrige, urwüchsige Wurzelmensch aus dem Böhmerwalde, der barocke Journalist und naturalistische Erzähler K. M. Ca p e k (geb. 1860). Das Gebiet, welches er mit uneingeschränkter Sicherheit und suveräner Kraft beherrscht, ist die naturalistische Groteske: hier machen sich seine Neigungen zum psychologischen Experiment, sein feines Verständnis für die Abgründe des Innenlebens, seine intime Kenntnis der mannigfaltigsten Niederungen der Gesellschaft geltend, hier triumphiert seine Begabung, die gern die Wirklichkeit bis zur Karikatur verzerrt; hier hält sein reicher, verwickelter, anschaulicher Stil der verblüffend eigenartigen Darstellung Schritt. So hat K. M. Capek die erschütternde Maurertragödie seines »Kaspar Len, des Rächers« ("Kaspar Len, mstitel«, 1908) dargestellt, so hat er das trübe Ende des verbummelten Genies und Bohemiens Anton Vondrejc (1910 und 1912) hinreißend erzählt: zuerst bewundert der Leser nur die satte Darstellung des alltäglichsten Lebensausschnittes, dann spricht zu ihm Capeks eigentümliche Tragikomik mit köstlichstem Humor ausgestattet, endlich aber strömt zu ihm aus diesen Büchern, aus ihrem Staube und ihrer Qual die schmerzhafteste Menschlichkeit, die tiefste Innigkeit. Als ein weibliches Analogon zu M. A. Simacek ist Frau B ozena Vikov a- K uneti cka (geb. 1863) zu bezeichnen.