371 dem tausendjährigen Reiche und verherrlicht sentimental und kunstlos seinen mit den Uhdeschen Augen betrachteten Begründer. Ein reiner Künstler ist Jaromir Borecky (geb. 1869), wohl der bedeutendste unter Vrchlickys Schülern; die französische Maxime »Kunst für Kunst( hat in ihm die vollständige Erfüllung gefunden. Sein lyrisches Erstlingswerk "Rosa mystica( (1891), der zarte, duftige Traum einer scheuen, angekränkelten Dichterseele , eröffnete die Neuromantik in Böhmen. Boreckys edle Gothik, seine morbide Erotik, seine verträumte Melancholie wurden für die moderne cechische Lyrik bestimmend. Dabei trennte sich Borecky nicht von seinem Meister, wie es die meisten Modernen damals taten, ja, in seinen späteren Gedichten, in denen er das uneingeschränkte Künstlertum zugunsten einer viel unmittelbareren Lyrik überwindet, und die er sehr bezeichnend »Lebensgesänge( (»Zpevy zivota(, 1912) nennt, näherte er sich ihm noch mehr. In mehr als einer Hinsicht ist mit BoreckY· der gleichaltrige Ja r 0 s I a v K v a p i I (geb. 1868) verwandt. Auch er begann als begeisterter Jünger V rchlickys, auch er schloß sich an diejenigen neufranzösischen Dichter an, welche V rchlicky in die cechische Litteratur eingeführt hatte i auch er bemühte sich um eine vollendete, komplizierte Formkunst , die farbenreich und melodiös zugleich sein wollte. Sein poetisches Hauptthema war immer die Liebe i doch dieses Thema wird bei Kvapil immer neu variiert: zuerst war es eine sinnliche, schwüle Erotik des raffinierten Kulturmenschen, dann die beglückende dankbare Liebe zu einer angebetenen hervorragenden Frau, die er bald in seinen tiefempfundenen und heißblütigen Versen als sein Weib besingen durfte; endlich war es zarte, intime Lyrik, die sich aus ihren schmerzvollen Klagen über die fliehende Jugend in das stille Glück des friedlichen Heims flüchtet. Kvapils Muse zeigte immer Vorliebe für das zaubervolle sinnige Märchen, und so ist Andersen K vapils Lieblingsdichter ; er hat dann auch einigen Märchen gelungene dramatische Einkleidung gegeben. Auch das Dekorative hat ihn immer angezogen; in seinen Gedichtsammlungen , von denen »Padajici hvezdy« (»Die fallenden Sterne(, 1889), »Rüzovy ker( (»Der Rosenbusch(, 1890) und »Andante« (1903) zu nennen sind, gibt er oft statt innerer Er 24*