361 sich zu seinem reichen, poetischen Gastmahle einstellen werden. Bald war es rein intime Lyrik und philosophische Reflexion, bald rhapsodische, bald fest gegliederte Epik, bald eine historische ]ambentragödie oder im Gegensatz\ zu ihr ein leichtgeschürztes Lustspiel, heute ein dickes Buchdrama, morgen ein zart hingehauchtes Proverb, - seit Lope de Vega hat die europäische Dichtung kein ähnliches Beispiel von Produktivität aufzuweisen 1). Vrchlickjs Erstlingswerk "Z hlubin« (»Aus der Tiefe«, 1875), das sich noch an einheimische Vorbilder, besonders an Halek, Neruda und Mayer anschließt, enthält nur reine Liebes- und Naturlyrik ; doch bald drängt sich auch in seine lyrischen Bücher das kontemplative Element, das einen grübelnden, meditativen Kopf, einen kühnen Gedankenpoeten zeigt, welchem allerdings einheitliche Weltanschauung, systematische Denkungsart fehlt. Zuerst kämpft in diesen Sammlungen - ich nenne nur die bedeutendsten »Duch a svet« (»Geist und WeIh, 1878), »Symphonien« (1878), »Sphinx« (1883), »Dedictvi Tantalovo« (»Das Erbe des Tantalos«, 1888), »Zivot a smrt« (»Leben und Tod«, 1892), »Skvrny na slunci« (»Die Sonnenflecken«, 1897) - ein düsterer Pessimismus, ein herber Skeptizismus, der sich mit den verschiedensten fatalistischen Chimären, mit der pantheistischen und sensualistischen Weltanschauung, welche die sechziger und siebziger Jahre in ganz Europa beherrscht hat, abquält; dann aber entscheidet sich der Poet für den beglückenden Glauben an den endgültigen Sieg des menschlichen Geistes über die lebenslose Materie, der Kulturmenschheit über das Barbarentum, der Humanität über Gewalt und Egoismus, der Freiheit über Tyrannei und Knechtschaft. Nachdem der Dichter die am Tore seiner jugendlichen Schöpfung lauernde Sphinx des Agnostizismus überwunden hat, kamen neue Versuchungen; das Gespenst des Illusionismus schrieb vor seinen Augen in die beklemmende 1) Eine mustergültige Übersetzung und zugleich eine vorzügliche Auswahl aus Vrchlickys Gedichten hat der deutschböhmische Dichter Friedrich Adler in der Rec1amschen Universalbibliothek geliefert, zwei andere Anthologien hat Edmund Grün (»Gedichte«, Leipzig 1886 und »Episches und Lyrisches«, Prag 1894) herausgegeben; in der öfters angeführten .Neueren Poesie aus Böhmen«, Wien 1892, hat E. Albert Vrchlicky und seiner Schule einen ganzen Band gewidmet.