- 304 und die schlummernden Kräfte des Volkes zu neuem Leben aufwecken werde. Der moderne Liberalismus, der freisinnige Kampf gegen jeden starren religiösen Dogmatismus und kirchlichen Zwang, die Hebung der arbeitenden Klassen, besonders aber die Emanzipation des Weibes gewannen bald das junge Herz der feurigen Idealistin, bei der stets das Gefühl in siegreicher Opposition gegen die kalte, nüchterne Vernunft stand. Doch dies überschäumende Gefühl wußte ihre spießbürgerliche Familie streng und unbarmherzig zu dämmen; jede Beschäftigung mit der Litteratur wurde dem begabten Mädchen verboten, und dann hat man ihr einen braven, aber äußerst nüchternen Mann in dem patriotisch gesinnten Oberlehrer Petr MuMk ausgesucht. Aus der trüben Enge ihrer langweiligen Ehe wollte sich Karolina Svetlä durch die Liebesfreundschaft mit Neruda, die bereits erwähnt wurde, retten. Doch allzu schwer litt sie unter den Anfeindungen der niedriggesinnten Umwelt und so hat sie mit ihrem Freunde, der unter ihrem Einfluß geläutert wurde, gebrochen. Der stolzen entsagenden Natur blieb nur die Schriftstellerei. Zuerst trat sie mit einer Reihe von farblosen, matten Novellen aus der modernen, nur mangelhaft charakterisierten Gesellschaft auf, die mit einer überströmenden Beredsamkeit verschiedene Fragen aus dem Frauenleben lösen wollen, aber durch ihre unsichere Charakterbezeichnung und ihre schleppende Handlung langweilig wirken. Dann führt sie ein Zufall in das böhmische ]eschkengebirge, in die cechische Umgebung des deutschen Reichenberg, und da findet die dreißigjährige Schriftstellerin - auch ihr Pseudonym Karolina Svetlä ist ein Ausdruck der Liebe zu dieser schönen Gebirgslandschaft - ihre persönliche Note, so daß Halek mit vollem Rechte schreiben konnte: » Wie glücklich ist das ]eschkengebirge, daß es seine Svetla, wie glücklich ist die Svetlä, daß sie ihr ]eschkengebirge gefunden hat!« Eine wundervolle, ja großartige Welt öffnete sich da ihren Blicken: hoch oben auf den Bergen, wo Wolken und Stürme hausen, inmitten von tiefen und wilden Wäldern bergen sich kleine, ganz eigenartige, sehr malerische Dörfer mit einer überaus interessanten Bevölkerung. Sie fand da religiöse Schwärmer, die halb skeptisch, halb mystisch über die gewaltigsten Lebensfragen nachdenken, stattliche Bäuerinnen, die zwischen der leidenschaftlichsten Liebe und der grenzenlosesten Aufopferung ihr ganzes