- 298 buch. . Des Dichters Altar ist seinem unglücklichen Volke geweiht, dem er sein Leben lang treu und edel gedient hat; doch sein eigenes Leid, sein eigener Schmerz, die der Dichter als Sühneopfer dem zürnenden Gotte bringt, erinnern ihn stets an den, der sich am Kreuze für die ganze Menschheit geopfert hat. Wie in der allerletzten Periode Heines, so vollzieht sich auch bei Neruda ein seltsamerProzeß: die ererbten und urwüchsigen Persönlichkeitselemente , welche durch einen wirkungsvollen philosophischen und litterarischen Kultureinfluß ge~ilgt wurden, treten auf dem Sterbebette recht stark hervor. Nur so läßt es sich erklären, daß in diesem Buche, welches man als die Passionsblume der cechischen Poesie bezeichnen könnte, der frühere Kosmopolit und Liberale zum beredten Sprecher eigentümlicher Rassenmystik wurde. Nerudas Bedeutung wurde erst einige Jahre nach seinem Tode allgemein anerkannt und hinreichend gewürdigt, und in demselben Grade, wie die Begeisterung für Halek erlischt, wächst die Bewunderung für Nerudas Wesen und Dichtung. Besonders die jüngere Generation verehrt in Neruda ihren großen Ahnherrn und Vorgänger und sucht in zahlreichen Essays ihrer bedeutendsten Kritiker den Kern seiner komplizierten Persönlichkeit zu erfassen. Das Ausland dagegen, dem der gute Europäer Neruda freundlich gegenüberstand, hat zu ihm bisher kein intimes Verhältnis gefunden. Mit Halek und Neruda ist ihr treuer Freund und poetischer Mitwerber A d 0 lf He y d u k (geb. 1835), der sie um lange Jahrzehnte überlebt hat und seinen hellen Blick und jugendlich frischen Sinn bis ins hohe Alter sich zu wahren wußte, mehr als in einer Beziehung verwandt. Auch für ihn, als er in den fünfziger Jahren lyrisch debütierte, bildete jene düstere, herbe Sentimentalität, die für Haleks und Nerudas Anfänge so bezeichnend ist, den poetischen Ausgangspunkt; auch ihm behagten am meisten jene schlichte knappe Liederform und jene anmutigen kleinen Stimmungsbilder aus der Natur, wie sie Neruda und Halek mit Vorliebe und Meisterschaft behandelten; wie diese, mischte auch Heyduk gern reine, leicht improvisierte Lyrik in grübelnde Reflexion. Doch er ist im Grunde ein zärtlicher und empfindsamer Gefühlsmensch, ein einfaches und naives Gemüt; ein begeisterter, ein glücklicher Improvisator und ein lieblicher Spät-