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sowie in den schmachvollen Demütigungen der nichtswürdigen
Gegenwart seinen Nährstoff findet. In den letzten Kapiteln des
herrlichen Buches wird der Leser an das Sterbebett des
unglückseligen Helden geführt, das unter dem klaren Himmel Italiens
steht, und da kann er in den gebrochenen Augen des Jan Maria
Plojhar des Dichters eigene Verzweiflung lesen, der, des ewigen
Spieles der leeren Illusionen müde, sehnsüchtig hofft, schon bald
in dem sicheren Hafen des absoluten Nichts Anker zu werfen.

Nach sechs Jahren kehrte Zeyer noch einmal zum
Hauptthema dieses tiefen Lebensbuches , indem er die wunderlichen
Schicksale des Pariser ~Haus zum ertrinkenden Sterneq: düster
und suggestiv erzählte: diesmal ist es ein dekadenter Nachkomme
des armen slowakischen Stammes, der um Gott und Ewigkeit
kämpfend in dem gespensterhaften Gewirre des modernen Paris
stirbt und symbolisch die tragischen Geschicke seiner Nation
erlebt. Als drittes Glied von dieser autobiographischen Kette
der späteren Werke Zeyers ist sein Schwanengesang, die »Troje
pameti Vita Chorazeq: (>Dreifaches Erlebnis des Veit Chorazq:,
1899) zu bezeichnen. Diesmal bedient sich Zeyer nicht mehr der
Prosa, sondern seines beliebten Versmaßes, des melodischen und
weichen Blankverses, um von der Welt, von der Lust und von
der irdischen Unruhe Abschied zu nehmen und mit einem demütigen
Hymnus der Menschen- und Gottesliebe seine ewige Heimat, das
himmlische ]erusalem, zu begrüßen.

Zeyer ist also ein vollblütiger Romantiker, der aber in die
Zeit der realistischen Kunst, der sozialen Reformen, der
materialistischen Philosophie, des religiösen Indifferentismus verschlagen
wurde. Sein Farbenreichtum, sein Exotismus, seine berauschende
Üppigkeit der Bilder verbinden ihn mit den französischen
Romantikern; mit den englischen Präraffaeliten teilt er jedoch seinen
keuschen, menschenscheuen Spiritualismus, seine mystische
Religiosität, seine morbide Gotik, - nur so können die
Neuromantiker in Böhmen in Zeyer, für welchen erst nach seinem Tode
die Ruhmeszeit gekommen ist, ihren wahlverwandten Vorgänger
erblicken.

Der Renaissancedichter Ja r 0 s I a v V r chI i c k y (eigentlich
Emil Frida, 1853-1912) bildet einen ausgesprochenen Gegensatz
zu dem gotischen Spezialisten Zeyer. Wie in einem geistigen
Brennpunkte durchschneiden sich in seinem immensen poetischen