7 Wenn die cechischen Romanschriftsteller - die erwähnte Dorfgeschichte ausgenommen - zur Gleichmäßigkeit des landläufigen europäischen Durchschnitts mit nur einer geringfügigen und obendrein mehr stofflichen als formellen Nuance beigesteuert haben, darf man hinwiederum betreffs der Zierde der cechischen Literatur - der lyrischen Poesie - den großen Erfolg bei Suche nach persönlichem Ausdrucksvermögen nicht in Abrede stellen; freilich kann dies nur ein Kenner der Originale beurteilen. Besonders ist es ein Dichtungszweig, der von der Romantik angefangen bis in unsere Tage herauf immer wieder auflebt, und hier Blüten gezeitigt hat, deren Farbe, Gestalt und Duft ein ästhetisch vorgebildeter Beobachter auf den ersten Blick von der übrigen europäischen Produktion zu unterscheiden vermag; Namen wie Celakovsky und Erben, Neruda und Sladek, Bezruc, Dyk und Wolker bezeichnen hier eine beinahe hundertjährige Über" lieferung. Diese Lyriker, teilweise Balladendichter, schätzen das dekorative Moment ebenso wie das rhetorische gering, Dinge, ohne welche die Lyrik der Romane kaum jemals auskommt, aber sie legen das Hauptgewichtauch nicht a.uf das ausschließlich melodische Element, welches wieder die Seele der deutschen und russischen Lyrik bildet; die gnomische Bündigkeit und die gehaltvolle Kürze in ihrem Ausdruck scheinen den Nachweis zu erbringen, daß der mißtrauische und stets zur Kritik hinneigende Verstand den Erguß der Empfindung vorsichtig überwacht,ohne je ihre Entfaltung in eine breite Melodienwelle zu gestatten. Dieses· Prinzip scheint vielfach vom Volkslied herzustammen und abgelauscht zu sein, das besonders im östlichen Teil des cechoslovakischen Gebietes bis vor kurzem lebte und überaus bewußt die Wortkünstler beeinflußte; daher und seiner reichen Mannigfaltigkeit wegen darf die Literaturgeschichte am Volkslied keineswegs achtlos vorbeigehen. Aber dieses sowohl ergiebige als auch zugleich die äußerst persönliche Ges.taltungskraft freimachende Prinzip herrscht in der cechischen Lyrik nicht ausschließlich, es pflegt zeitweilig sogar einem anderen, geradezu entgegengesetzten Prinzip zu unterliegen; dieses aber ist der fremden Dichtung, und zwar anfangs der Antike, dann der deutschen Klassik, später der französischen Lyrik, entnommen worden. Es ist dies das Prinzip einer ~g!!1pl~::. zierten Dichtungsarchitektur, die von dem dekorativen und rhetorischen Element reichlich Gebrauch machend, auf überpersönliche Objektivitä t gerichtet ist und das Gefühlselement der Ge-