2 Otokar l?l~:z;ina,~ die jüngste und gegenwärtigste dieser Erscheinungen, ist ein solch besonderer und doch wieder durchwegs typischer Fall. Knapp an der Scheide des 19. Jhs. gipfelte in ihm und durch ihn die hundertjährige Entwicklung jener künstlerischen Form, in welcher der Ceche, abgesehen von der Musik, die reichste Begabung, den feinsten Formensinn, die innerste Persönlichkeit an den Tag gelegt hat, nämlich die der Lyrik. Diese hat zwar schon in dem direkten Vorgänger und Antipoden Bfezinas, in Vrchlicky, mit Recht, aber nur mit mittelmäßigem Erfolg die Aufmerksamkeit des Weltforums in Anspruch genommen. Dagegen ist das cechische Schrifttum auf dem Gebiete des Romans und des Dramas bisher nicht an das europäische Wertmaß herangewachsen. Doch welch Verhängnisl Gerade die Lyrik ist es, die aufs schwerste und zugleich am unvollkommensten aus der Heimat in die Fremde ihren Weg zu finden pflegt, da beim Grenzübergang in der Dolmetscherhand das meiste von dem Farbenstaub ihrer Schmetterlingsflügel verloren geht, und in dem sie in der immer mangelhaften Wiedergabe ihres melodischen Zaubers (der dabei doch die Hauptsache bleibt) verlustig werden muß. Daher konnte außerhalb der cechischen Grenze weder ein Vrchlicky noch ein Bfezina den IWiderhall erwecken, dessen sich die cechischen Tonschöpfer Smetana, Dvofak oder J anacek erfreuen können; von der cechischen lyrischen Plejade bleiben daher fprs Ausland Dichter vom Range eines Macha, Neruda, Sladek, Sova nur matte Lichtpunkte, während sie am Himmelszelt der cechischen Poesie als Sterne erster Größe hell leuchten; eben daher wehren sich geradezu jeglichem Export und jeglicher Transplantation gegenüber Werke, in denen sicli der cechische Geist am herrlichsten, und zwar mittels einer rein künstlerischen Form in seiner Beziehung zu Gott und Welt, zu Ewigkeit und Leben, zu Liebe und Tod geoffenbart hat .... fragt sich nur, ob ein Shelley, ob ein Leopardi, Mörike, Verlaine in ihrem Urwesen der Welt so zugänglich geworden wären, hätten sie ihre Lieder nicht in einer Weltsprache gesungen? Seit ihren allerersten Ansätzen schwächt eine doppelte Schranke die Bedeutung und Wichtigkeit der cechischen Literatur und stellt sich ihrem Vordringen aufs Weltforum hinderlich in den Weg: ein Kenner der Geschichte weiß freilich, daß gerade diese Hindernisse eben in den Lebensbedingungen des nationalen Ganzen . begründet sind. In den älteren Epochen ist es die Beschränkung aufs Religiöse, in der nun kaum erst verflossenen Zeit die ver-