- 375 Märchen oder modeme Legenden; dabei wird sie von ihrer ästhetischen Vorliebe für schöne und ausgesuchte Kunstgegenstände, von ihrem feingebildeten Verständnis fUr die bildende Kunst, von ihrer Neigung zur exotischen Eleganz unterstützt. In dieser kunstvollen Isolierung, in dieser abkürzenden Zeichnungsmethode ist der rohe, tatsächliche Naturalismus überwunden, in welchem der rohe Stoff sein Recht dem Dichter gegenüber behauptet. Ihre Stilmethode zeigt der cechischen Prosa unleugbar neue Bahnen. Die Zeit ist wahrscheinlich nicht fern, wo man ihre Nachahmer als eine förmliche Schule von Prosaikern bezeichnen wird. Von den Schriftstellern, w~lche diese oder jene Seite ihrer KU,nst erfassen oder nachbilden, seien hier nur zwei genannt: der elegante Impressionist Karel Sezima (geb, 1876), der sich in seinem aparten Romane :tPassiflora« (1904) als kundiger Psychologe der labilen Frauenseele gezeigt hat und dann die ehemalige Liederdichterin aus der Heydukschen Schule R 11 ~ e n a Je sen s k a (geb. 1863), welche in ihren späteren Arbeiten, vornehmlich in dem sinnigen :tRomane eines Kindes« (1906), an die Liebesmystik von Rdzena Svobodova anknüpft. Die Kritiker, die Lyriker, die Prosaiker, welche hier zuletzt in rasch folgender Übersicht vorgeführt und gedeutet wurden, sind wohl nicht nur als repräsentative Vertreter der heutigen l!echischen Litteratur, sondern auch als Sprecher der cechischen Wortkunst von Morgen aufzufassen. In ihrem Lebenswerke, wenn auch dasselbe noch nicht abgeschlossen ist, leben die bedeutendsten Ideen wieder auf, die seit Neruda und Hälek die modeme cechische Litteratu.r beherrschen, und so wird die neueste ~echische Litteratur zu dem abgekürzten Ebenbilde des Geisteslebens der letzten fünfzig Jahre. Ein einsichtiger Kosmopolitismus, der mit dem westeuropäischen Schrifttum nie die Fühlung verlor, verbindet sich hier mit einem warmen, ja leidenschaftlichen Interesse für die nationale Eigenart; fremde Einflüsse berühren sich mit dem angstvollen Bestreben das einheimische, ursprüngliche Gepräge zu wahren; Kritiker, Philosophen, Litteraten studieren die geschichtlichen Bedingungen des nationalen Lebens, um an der nationalen