- 370 interessanten psychologischen Einzelheiten arg unt~r ihrer journalistischen Chronikform zu leiden haben. Es hat eine geraume Zeit gebraucht, bevor sich auch die ~echische belfetristische Prosa zu einer ähnlichen künstlerischen Höhe, wie sie die neue Lyrik unter Machar, Sova und Bfezina erreicht hatte, erhoben hat, ja in der stürmischen Periode der neuböhmischen Litteraturbewegung der neunziger Jahre trug es die Kritik schmerzlich, dafs die von ihr beschützte und propagierte Gruppe der jungen SchriftsteÜer kein ebenbürtiges prosaisches Talent aufzuweisen hatte. Mit der teils ganz äufserlichen, teils psychologisch unbeholfenen realistischen Romantechnik , wie sie die von der russischen Litteratur beeinflufsten Schriftsteller der achtziger Jahre ausgearbeitet haben, wollte sich die neue Generation nicht begnügen, utld da sie auch an keine älteren einheimischen Vorbilder anknüpfen wollte, suchte sie abermals ihre Anregungen im Ausland. Der russische Gesellschaftsroman wirkte zwar noch immer tief und heilsam, aber bald wurde er durch den nachhaltigen Einflufs des französischen Realismus und Naturalismus verdrängt. Die kosmopolitische Schule der siebziger und achtziger Jahre hat es versäumt, die grofsen Romandichter der französischen Litteratur wie Balzac, Stendhal und Flaubert in das ~echische Schrifttum einzufUhren. Noch jetzt, dicht vor der Jahrhundertwende, erschien die grandiose Gesellschaftmalerei eines Balzac, die kalt analytische Romanpsychologie eines Stendhal, die unpersönliche realistische Epik eines Flaubert, welche erst jetzt übersetzt wurden, als litterarische Neuheiten. Dagegen verdrängte bei den kühnsten Neuerern der vorlaute Naturalismus der Zolaschen Schule mit all ihren psychologischen Unvollkommenheiten, stilistischen Geschmacklosigkeiten, plebejischen Manieren diese drei Klassiker des französischen Romans, für welche besonders der umsichtige Kritiker F. X. Salda systematisch geworben hatte. Zola selbst, der bei den patriotischen Litteraten der alten Schule in Böhmen verfehmt und verachtet war, hat in der neuen cechischen Prosa tiefe Spuren hinterlassen: es sind dies der Hang zur breiten hymnusartigen Beschreibung, die ausführliche Milieuschilderung, das sensualistische Pathos in der Darstellung der seelischen Vorgänge. Die weit feineren naturalistischen Künstler traten dagegen in den Hintergrund; weder die nervösen Impressionisten