367 allmähliche moralische Entwicklung der Menschheit; die Schmerzen und Sünden des Individuums gehen in der kosmischen Harmonie auf. Nur wenige Leser können ihm in die mystischen Sphären folgen, wo es keine Leidenschaft, kein Lachen, kein Weinen gibt, und so steht Bfezina, ein menschenscheuer, in einem weltverlorenen mährischen Städtchen lebender Einsiedler, in der cechischen Poesie ganz vereinsamt da; nur einzelne junge Dichter, die ihn geradezu vergöttern und jeder seiner Offenbarungen über Kunst und Leben andächtig lauschen, haben von ihm tiefgreifende Ant-egungen empfangen. Die beiden befreundeten Illusionisten Otokar Theer und Jan z Wojkowicz, die sich ähnlich wie Bfezina von der Wirklichkeit zu philosophischen Träumen abwenden, verbinden in ihren formvollendeten lyrischen Gedichten eine ungemein feine Sensibilität mit einem nach Weltgeheimnissen lechzenden Intellekt. Otakar T h e e r (geb. 1880) ist der entschieden kräftigere von beiden ; in seiner grausam wollüstigen Seele sehnt er sich nach kühnen Experimenten mit Ideen, Sensationen und raffinierten Erlebnissen und gelangt nach all diesen, manchmal recht schme.rzvollen )Heerfahrten nach dem Ich« (1900), deren Erlebnisse er mit südlich üppiger Farbenpracht und sehr origineller Verskunst beschrieben hat, endlich zu der düsteren, gespensterhaften Burg der ewigen Illusion. Sein Freund Ja n z Wo j k 0 w i c z (geb. 1880), ein knabenhafter, mimosenartiger und schmachtender Melancholiker, der besonders die reichen Halbtöne und die 'zarten Nuancen der Frühlingslandschaft und der Herbstnatur zu treffen weifs, hat sich, in den Spuren des ihm wahlverwandten Novalis wandelnd, eine ganz seltsame pantheistische Kosmologie, eine naive und zugleich doktrinäre Metaphysik geschaffen, die besonders in seinen melodischen )Meditationen» (1905) an den Tag tritt. Diese Epigonen Btezinas sind nicht weit entfernt von der scharf ausgeprägten Dichtergruppe der cechischen Dekadenten, welche sich um die )Moderne Revue« schart, von dem herausfordernd exotischen Kritiker und geschmackvollen Übersetzer Arnost Prochazka (geb. 1869) im Jahre 1894 gegründet. Ihr typischer Vertreter ist der bereits als Kritiker erwähnte Dichter Jiti Karasek ze Lvovic, der, eigenartig und kühn in seiner Vers- und Prosa lyrik , die reichen Anregun~en von Baudelaire und Verlaine, Huysmanns und Maeterlinck, Przybyszewski und