365 Zeit nicht. In seinem letzten Buche, l>Lebens- und Liebeslyrik« (1907) , spricht wieder zugleich der verbitterte Ironiker und der feine Impressionist, der herbe Satiriker und der subtile und intime Erotiker; auch den Pamphletisten Sova, der seinerzeit (1897) wuchtig und beredt gegen den chauvinistischen Brutalismus eines Mommsen polemisierte, darf man nicht vergessen. Ein Kapitel fUr sich bilden Sovas Prosadichtungen , die nebst einem Buche von kurzen, lebenssprühenden Skizzen und Novellen auch zwei gro{se Romane, »Ivos Roman« (1902) und »Kreuzzüge der Armen« (1903), umfassen, welche neben den echtesten lyrischen Schilderungen auch manche Härte in der Komposition, manchen unausgeglichenen Bruch in der Psychologie aufweisen. Sovas erhabene in freiem Rhythmus hinrollende Offenbarungen und Visionen einer neuen seligen und verklärten Zukunft berUhren sich in mehr als einer Hinsicht mit der hymnischen Poesie des grofsen Visionärs Otakar Bfezina (eigentlich Vac1av jebavy, geb. 1868), der gleichwertig neben dem Realisten Machar und neben dem Impressionisten und Träumer Sova als poetischer Sprecher jungböhmens steht. Otakar Btezina ist wohl der einzige unter den jüngeren cechischen Lyrikern, dem der Rang eines metaphysischen Poeten, eines schöpferischen Synthetikers, eines ideologischen Symbolikers gebührt. Die Welt der Erscheinungen verschwindet bei Bfezina in der Welt der Ideen; der philosophische Gedanke modelt bei ihm immer die Realität um; aus den vergänglichen Elementen der mit einer äufserst genauen und klaren Anschauung und Empfindung erforschten und erlebten Aufsenwelt schafft Bfezina einen neuen transzendenten kosmischen Bau. In seinem ersten Buche, »Geheimnisvolle Fernen« (1895), über dem dUstere Wolken jugendlicher Melancholie lagern, sang der Dichter noch über die trauervolle Schönheit dieser Erde, über die verschwiegene Tragik einer scheuen verträumten Erotik, über die schmerzhafte Nichtigkeit einer ungelebten jugend, tiber die dunkeln Geheimnisse der Vererbung und der Rasseneinheit in entzückend musikalischen und dabei verschwenderisch farbenreichen Versen. Aber schon in seiner zweiten Sammlung, dem prächtigen Übergangsbuche »Die Morgendämmerung im Westen< (1896), verläfst Bfezina die analytische Stimmungslyrik, ja, das diesseitige Bereich der individuellen Erlebnisse, der irdischen Existenz, um sich ausschliefslieh der metaphysischen Konzeption,