- 364 Psychologie des modernen Individuums, das mit seiner Zeit, seiner Umgebung, seiner Nation gebrochen hat, ohne eine neue, ihm hinreichende Lebensform gefunden zu haben, und das deshalb verzweifelt zugrunde geht. Die Jugend von damals begrüIste dieses äuIserlich formlose Werk als das Bekenntnisbuch ihrer Sturm- und Drangzeit. Der Dichter, der, alle Fesseln des epigonenhaften Akademismus wegwerfend, in dem freien Verse eine neue poetische Ausdrucksform gefunden und sich offen in die erste Reihe der jungen, flir moderne Ideale streitenden Generation gestellt hatte, begnügte sich jedoch nicht damit, einfach zu protestieren; sein Werk wurde alsbald zur philosophischpoetischen Kritik der Gegenwart und ihrer Lebenswerte. Mit leidenschaftlichem Ernste und herber Wahrheitsliebe, mit pathetisch scherzhafter Geste zerschmettert der zürnende Poet in seinen »Ausgetobten Schmerzen< (1897), die immer noch sein Hauptwerk bleiben, alle angebeteten Götzen der modernen Menschheit. Schonungslos prüft er deren Glauben, Hoffnung und Moral und findet überall nur Lebenslügen. Aber der Poet, dessen analytischer Geist sich durch keinen schönen Wahn bestechen läIst, fragt zuletzt doch, ob diese schreckliche Götter- und Götzendämmerung der Anfang oder das Ende der modernen Gesellschaft sei. Und schon auf den letzten Seiten dieses schmerzhaften Buches schimmert die Ahnung einer höheren Zukunft, einer edleren Moral, einer besseren Menschheit durch. Diese scheuen Zukunftsträume finden dann in dem wundervollen Zyklus »Das Tal des neuen Reiches< (in dem Buche »Einmal kehren wir noch wieder«, 1900) sowie in der vollendeten Sammlung »Die Abenteuer der kühnen Seelee (1906) ihre Erfüllung. Mit dem siegestrunkenen Enthusiasmus eines modernen sozialen Chiliasten , mit der edelsten Symbolik, in pathetischer, erhabener Sprache preist da Sova ein freies Königtum der Zukunft, deren vollendete Menschheit in neuen Lebensformen ihr Glück finden wird. In diesen letzten Schöpfungen, in denen allerdings der alte bittere Beigeschmack der ätzenden Ironie, der zersetzenden Gesellschaftskritik noch immer zu spüren ist, verarbeitete Sova auf eine eigenartige und kühne Weise die besten Ideen einer sozialen Wiedergeburt, wie sie die neue Generation in Böhmen formuliert hat. Doch auch seine lyrische Kraft versiegt auch in der allerletzten