358 frohe soziale Zukunft auszumalen, welche auch die kühnsten Forderungen der modernen Litteratur und Philosophie verwirklichen werde. Von dem Schriftsteller und dem Künstler überhaupt verlangt KrejCi, dafs sie dieser neuen Renaissance, dieser endgültigen Abkehr von dem christlich-mittelalterlichen Lebensideal, tapfer und eifrig vorarbeiten. Für den trockenen und verbitterten Aktenführer des zeitgenössischen Schrifttums und Theaters, den schonungslosen J i n d f ich V 0 d a k (geb. 1867), liegen die gesellschaftlichen Zukunftsträume in keiner so nebelhaften Ferne. Dieser genaue Philologe und griesgrämige Professor vertritt in der Litteraturkritik vielmehr den ethischen Standpunkt Masaryks, und mit diesem einseitigen, aber strengen Mafse mifst er die gesamte neue Produktion, was ihn ebenso gefürchtet als angesehen macht. Die andere Gruppe der Kritiker will mit der ethisch sozialen Propaganda nicht das geringste gemein haben: es sind im Gegenteil antisoziale Reinkünstler, exklusive Aristokraten, dekadente Geniesser , welche in der Kunst ein gefährliches und zugleich berückendes Spiel der Leidenschaft und der Wollust erblicken und die Wirklichkeit blofs als einen dürftigen Ersatz für die Kunst anerkennen. Nur ausnahmsweise beschäftigen sie sich mit .cl,er einheimischen Produktion; nur mit Verachtung sprechen sie von den älteren Schriftstellern; ihre gekünstelten, meistens schwer verständlichen Essays schreiben sie nur fUr einige Litteraten und Liebhaber oder, wie man es heute zu bezeichnen pflegt, für die Dichter und die Sammler. Der Ältere von ihnen, Jifi Karasek ze Lvovic (geb. 1871), ein auch als Lyriker und Prosaiker bedeutender Künstler, kann heute auf eine mehr als zehnjährige kritische Tätigkeit, deren Anfänge aUzusehr von Ralda abhängig sind, zurückblicken; das Schönste, was Karasek in dieser Zeit geschrieben hat, sind wohl seine äufserst frischen Charakteristiken der jungen Schriftsteller: >Impressionisten und Ironiker« (1903). Später hat dieser typische Dekadent das vorher so fleifsig verwaltete Referentenamt niedergelegt, um als feiner Psychologe, zarter Anempfinder, stechender Ironiker, ausgesuchter Stilist fremde Persönlichkeiten zu analysieren und schwierige Kunstprobleme zu erörtern: das Seltene, das Kranke, das Paradoxe, das Unzeitgemäfse hat für diesen nervösen und manchmal ganz absurden Dialektiker ausschliefsliehe Anziehungs-