- 353 Wahrheitsliebe; in seiner nervösen, hastigen Zeit ist Gebauer immer ein ruhiger Epiker der Tatsachen geblieben. Nach dem grofsen Handschriftenstreite ist Gebauer, der früher auch litterarische Forschungen trieb, nicht mehr dazu' gekommen, die Ergebnisse der neuen wissenschaftlichen Anschauung litterarhistorisch zu verwerten und eine planmäfsige Revision der altböhmischen Litteratur durchzuführen; diese ebenso verlockende als schwierige Aufgabe ist seinem Schüler, dem Universitätsprofessor Ja r os la v V I ~ e k (geb. 1860), zugefallen. Durch seine »Geschichte der cechischen Litterature (seit 1892, bisher unvollendet), wo er sich auf den Standpunkt der vergleichenden Litteraturforschung zu stellen und die gesamten litterarischen Erscheinungen aus den kulturellen Lebensbedingungen zu erklären wufste, hat er eine neue ·Schule begründet. Als glänzender Porträtist und zugleich als Meister der satten Milieuschilderung berührt sich Vlcek, der sich als ein besonders guter Kenner des slowakischen Schrifttums und der cechischen nationalen Wiedergeburt erwiesen hat, mit Jaroslav Goll; doch dessen feine Ironie, dessen seltenen philosophischen Fernblick und künstlerisch geschliffenen Stil besitzt Vlcek nicht. Gebauers Werke decken sich ganz mit seiner Persönlichkeit; Gebauers Kampfgenosse Tom a s Gar r i g u e M a s a r y k (geb. 1850) wirkt dagegen immer mehr durch eigenartige Kraft und .originellen Zauber der Individualität als durch seine Bücher. T. G. Masaryk ist eine äufserst komplizierte Erscheinung: seinen slowakischen Ursprung, der sich in seinem ganzen Auftreten kundgibt, hat er nie verleugnen wollen noch können; dazu treten tiefgreifende Einwirkungen der russischen und englischen Kultur und Litteratur hinzu, die er dem vorherrschenden französischen und deutschen Einflufs gegenüber betont; doch sein in der positivistischen Philosophie geübter Geist - als N oetiker empfiehlt T. G. Masaryk die Rückkehr zu Hume, als Soziologe hängt er eng mit Comte zusammen - brachte auch der religiösen Bewegung in der protestantischen Welt ein tiefes Interesse entgegen. . Als philosophischer Schriftsteller und akademischer Lehrer, der seine Zuhörer zu sich als ein geistiger Rattenfänger von Hameln zu locken wufste, pflegte Professor T. G. Masaryk mit ausgesprochener +. •• Vorliebe Ethik und Noetik, Geschichtsphilosophie und Soziologie. Bereits bei seinem ersten Auftreten, dem ganz abenteuerliche Jakubec·Novak, Cecbiscbe Litleratur. 23