- 351 den neunziger Jahren verstelren , so darf man keineswegs die komplizierte Entwicklung der gleichzeitigen ~echischen Kritik und litterarischen Polemik unberücksichtigt lassen. Während in der unmittelbar vorangehenden Zeit der Kritik eine ganz untergeordnete Stellung auIserhalb des dichterischen Schaffens angewiesen worden ist, hat sie sich in dieser Periode die führende Macht ertrotzt, und erkämpft. In den achtziger Jahren machte sich Sv. Cech über die Kritiker in witziger und anmutiger Weise lustig und J. Vrchlicky, trotzdem er selbst kritische Studien veröffentlichte, lieIs fast in jeder seiner Gedichtsammlungen Aussprüche drucken, die dem üblen Goethewort )schlagt ihn tot den Hund, es ist ein Rezensent« an Heftigkeit und Verachtung kaum nachstehen. Jetzt dagegen wurde der führende Dichter J. S. Machar selbst zum Kritiker, und keiner von den Litteraten war so einfluIsreich wie der scharfsinnige Kritiker F. X. Salda. Es wäre wirklich schwer, analoge Beispiele dafür aus der Weltlitteratur anzuführen, daIs des Kritik eine ähnlich wichtige Stelle in der Litteratur zugefallen wäre wie hier; vielleicht nur in der jungdeutschen Periode und in der Sturm- und Drangzeit des russischen Realismus unter B~lin'skij war poetische Produktion mit kritischer Tätigkeit so unzertrennlich verbunden. Als Vorbote der neu zu schaffenden litterarischen meldete sich die philologische Kritik, die einen äuIserst wichtigen wissenschaftlichen Streit auskämpfen sollte. Im Jahre 1886 bewies der bereits angesehene Slawist Jan Gebauer die Unechtheit der Königinhofer und Grünberger Handschrift, dank seiner eingehenden Kenntnis der altböhmischen Sprachperiode und seiner minutiösen philologischen Kritik, wobei er von einer ganzen wissenschaftlichen Schule unterstützt wurde. Die~e auf sicherster wissenschaftlicher Grundlage beruhende Entdeckung wirkte im cechischen öffentlichen Lehen wie ein Torpedo unter einem Schiffe. Konservative Gelehrte und radikale Politiker, schlecht unterrichtete Grammatiker und veraltete Historiker, nai'le Dichter und phrasenhafte Zeitungsschreiber, pedantische Schulmänner und vaterländische Vereine wurden von den Anhängern der Echtheit der heiden fraglichen Denkmäler ins Feld gerufen; die Parteigenossen Gebauers und Masaryks wurden als Verräter der cechischen Nationalsache gebrandmarkt, die moderne wissenschaft" liche Kritik wurde als unseliges Danaergeschenk verurteilt, in