- 332 Ganz wesentlich ist der Unterschied zwischen den Novellisten Mährens und denjenigen Erzählern, die das böhmische Landvolk schildern. Während jene die bunte Fülle des überschäumenden Volkslebens, das üppige Schwelgen in farbenreichen Massenszenen, die wild aufbrausende Dramatik äufserer Erlebnisse, die leidenschaftliche Erotik bevorzugen, bieten diese eher schlichte Familiengeschichten, düstere Schattenbilder der trostlosen Existenz der vom Schicksale geknechteten Bauern und Häusler, ~ortund farbenkarge Episoden aus dem schweren Kampfe ums Brot, novellistische Beiträge zur Psychologie der religiösen Schwärmerei im Volke. Die beiden Erzähler der älteren Generation, Stasek und Klostermann, konnten die überlebte, äufserliche Romanmanier, die in dem Wirklichen nur das Interessante, in dem Interessanten nur das Sensationelle sucht, nie los werden; sie verschmähten die wunderlichen Liebesabenteuer, verwickelten Familienverhältnisse, geheimnisvollen Schicksalswirrungen in ihren Romanen nicht. An tal S t ase k (eigentlich Antonin Zeman, geb. 1843), der als eifriger Polen freund und schwerfälliger Reflexionspoet bereits im Jahre 1872 aufgetreten war, zeigt sich als kundiger Psychologe und intimer Chronist der cechischen Bevölkerung des Riesen- und Jeschkengebirges. Im Grunde ein Romantiker, den nur die Ausnahme interessiert, greift Antal Stasek mit Vorliebe zu solchen poetischen Stoffen, die eine streng realistische Ausführung fordern, wenn sie überzeugend wirken sollen; er verbindet eine wunderlich romantische Handlung mit naturalistischer Kleinmalerei. Nur einmal ist ihm ein grofser Wurf mit dem ergreifenden Novellenzyklus .Die Schwärmer unserer Berge« (1895) gelungen, wo er die Entwicklungsgeschichte der spiritistischen Bewegung in Nordböhmen schildert. Als seinen Gegensatz kann man Karel Klostermann (geb. 1848) bezeichnen; allerdings nicht nur qeshalb, daCs sich seine Romane fast ausschliefslieh im Böhmerwalde bewegen. Während Sta~ek ein zäher, in sich gekehrter, grübelnder Charakter, ein nüchterner, sachlicher Beobachter, ein düsterer, ernster Denker, ein kunstloser, manchmal sogar unbeholfener Erzähler ist, weHs der frische, bewegliche Klostermann den Leser durch spannende Handlung, durch leichte, anmutige Erzählungskunst , durch angenehmen Plauderton seIhst auf die Dauer zu fesseln. In seinen breit angelegten Erzählungen aus dem Leben der Holzfäller, Heger und