- 328 welche dann in den neunziger Jahren ihren Höhepunkt erreichte, und der mährische Separatismus, der in dem politischen und gesellschaftlichen Leben wurzelnd, bald auch die Litteratur und Kunst in seinen unseligen Zauberkreis zu ziehen wufste. Dem ethnographischen Interesse, das sich aus der romantischen Vorliebe für Volkspoesie und Volkssage entwickelt hat, begegneten wir bereits bei Nemcova, Erben und Susil; doch diese Schriftsteller haben fast ausschliefslieh die Erzeugnisse der volkstümlichen Wort kunst berücksichtigt. Etwa gleichzeitig studierte der geniale cechische Maler Josef Manes mit geradezu wissenschaftlicher Genauigkeit die cechischen und slowakischen Volkstrachten und Volkstypen. Später wurden auch die volkstümlichen Sitten und Gewohnheiten sowie der Volksaberglaube aufgezeichnet und untersucht, wobei noch die wissenschaftliche Romantik mit ihren abenteuerlichen, überall Mythisches und Heidnisches aufzuspürenden Hypothesen ihr böses Spiel trieb. Eine wissenschaftliche Volkskunde gab es damals in Böhmen allerdings nicht, doch es fehlte keineswegs an ethnographisch itlteressierten Liebhabern und Sammlern. Einige Provinzialmuseen , besonders das reiche Olmützer Museum in Mähren, legte grofse ethnographische Sammlungen an, und deren bezügliche Vorstände, zahlreiche Damen darunter, lieferten in ihren fleifsigen Monographien schätzenswerte Vorarbeiten zu der cechischen Volkskunde. Als dann im Jahre 1891 auf der Jubiläumsausstellung in Prag, mit der auch die Gründung der ersten cechischen ethnographischen Fachzeitschrift, »Ceskj lid» (d. h. »das cechische Volke) zusammenfällt, der glückliche Plan einer selbständigen, ethnographischen Ausstellung gefafst wurde, loderte die ethnographische Begeisterung in ganz Böhmen und Mähren in den hellsten Flammen auf; man sammelte eifrig die immer mehr verschwindenden Überreste der volkstümlichen Industrie, alte Trachten und Stickereien, altes Geschirr und alte Möbel; veranstaltete kleine Expositionen in böhmischen und mährischen Kreisstädten; volkstümliche festliche Aufzüge und altertümliche Feierlichkeiten wurden neubelebt und öffentlich vorgeführt. Die grofsartige ethnographische Ausstellung in Prag im Jahre 1895 schenkte auch dem Schriftsteller, dem Maler, dem Architekten, dem Musiker reichhaltige Belehrung und fruchtbare Anregung; ein grofses ethnographisches Museum wurde später in Prag ge-