- 323 Victor Hugos gern gespielt hätte, bemühte sich später jahrelang, verwandte und treue Schüler um sich zu versammeln, und hat für sie öfters eine Lanze gebrochen. Es waren dies geschickte Formtalente , welche die komplizierte Verskunst ihres Meisters nachahmten; poetische Kosmopoliten, die ihre. poetischen Stoffe ebenfalls aus der Legende, Sage und Geschichte der verschiedensten Völker und Zeiten holten, proteusartige Eklektiker, welche mit den verschiedensten Ideen und Kulturen spielten; doch keiner von ihnen hat seine persönliche Note, seine dichterische Eigenart gefunden. Erst in den neunziger Jahren traten unter Vrchlickys Epigonen auch Lyriker auf, deren poetische Technik einen wirklichen Fortschritt bedeutet. Ihre halberotischen, halbdekorativen Gedichte, welche sie in dünnen Heftchen herauszugeben pflegten, zeugten von eingehendem Studium der modernsten Franzosen, welche in ijaudelaire ihren Vorgänger und in Verliline ihren Meister verehren, von einer strengeren poetischen Ökonomie, von einem vorzüglichen Sinn für die feinsten Nuancen der Sprache und die leisesten Halbtöne der Versmusik. Sie zeigten eher Vorliebe für die Gothik als für die Renaissance, für eckige kirchliche Kunst als für üppige Freskomalerei in Rubenscher Art, für weltscheue Mystik als für lebensfrohen Pantheismus; man kann sie geradezu als Vorboten der späteren Schule der cechischen Dekadenten bezeichnen. Drei von ihnen dürfen auch hier nicht unerwähnt bleiben; es sind Xaver DvoMk, Jaroslav Kva.pil und Jaromir BoreckY. Als der einzige cechische katholische Dichter von Bedeutung wurste X ave r D v 0 fa k (geb. 1858), ein Katechet von Beruf, die blendende Wort- und Verskunst Vrchlickys, seinen üppigen Bilderreichtum, seine schwungvolle Rhetorik in den Dienst der pompösen kirchlichen Liturgie, der katholischen Mystik zu stellen. In seinen Gedichtbüchern, von denen besonders »Durch Schatten zur Morgenröte« (1891) und »Sursum corda« (1894) hoch stehen, improvisierte er einige erhabene, manchmal allerdings hieratisch starre Gedichte auf das dem gro{sen Symbolisten Verlaine geläufige Thema, wie sich eine todesmüde Seele aus ihrer Verzweiflung in die geistliche Wonne der mystischen Vereinigung mit Gott rettet, und wie sie im Marienkultus sowie im Wunder der Eucharistie einen neuen Stachel der Wollust findet. 21*