- 316 Menschheit in fragmentarischer, halb lyrisch, halb epischer Ausführung, die seltsame Verbindung der kosmischen Betrachtung mit der zartesten Liebes- und Familienlyrik ; doch auch die überschwängliche, oft bombastische Sprache, die keine Ökonomie kennen will, das unphilosophische Spiel mit verschiedenen Ideen und Systemen, den fortschrittlichen Optimismus und eklektischen Idealismus, welcher auch bösem Truismus nicht ausweicht. Von Banville hat Vrchlicky die gewagteste Formkunst, von Sully Prudhomme die philosophisch - didaktische Note gelernt; näher noch steht ihm Leconte de Lisle, dem er als Übersetzer fast soviel Aufmerksamkeit wie V. Hugo geschenkt hat; wie dieser einsame herbe Poet und Denker vertieft sich auch Vrchlicky gern in die Urzeit, wo alles noch unsicher, nebelhaft, geheimnisvoll, dabei aber gewaltig, riesenhaft, übermenschlich war, wie Leconte de Lisle betrachtet Vrchlicky zuweilen die Weltgeschichte mit einem stoischen Pessimismus, mit einer erhabenen Geste der schweigsamen Verachtung. Seit seinem längeren Aufenthalte in Italien (1875-1876), der so tiefe und fruchtbare Spuren in seiner Dichtung hinterlassen hat, beschäftigt sich V rchlicky systematisch mit der italienischen Poesie, die bis dahin in Böhmen gänzlich unbekannt war. Als Übersetzer hat er seinem Volke nicht nur die grofsen Epen Dantes, Tassos und Ariostos , sondern auch die gesamte Lyrik Leopardis und Carduccis geschenkt; in zwei umfassenden Anthologien hat er ein vollständiges Bild der modernen italienischen Dichtung entrollt, ja auch manches, was sonst in der Weltlitteratur nicht heimisch ist, wie die Gedichte Michel Angelos, die ätzende Satire des ironischen Abbe Parini und die schlichten Lieder des sizilianischen Naturdichters Cannizzaro hat er in Böhmen bekannt gemacht. Hatte seine ]ugendzeit die tiefsten Eindrücke von Dantes weltgeschichtlicher Mystik und Leopardis heroischem Pessimismus empfangen, so wurde später die kräftige Rhetorik Giosue Carduccis für seine Dichtung entscheidend: Carduccis freies, mutiges Verhältnis zu der Antike, seine entwicklungsfröhliche, antiklerikale Tendenz, seine meisterhafte Verschmelzung der odischen und idyllischen Dichtkunst, sein schwungvoller, fester Strophenbau , der sich selbständig an altrömische Vorbilder anlehnt - das alles fand bei dem kon-