- 312 rauschen durfte; doch wieder erwachte die mystische Unruhe seines kranken Herzens, das sich leidenschaftlich nach Gott, Tod und Nirwana sehnte. -iDieser Zwiespalt spiegelt sich auch in seinem poetischen Werke wieder, dessen Stoffe ebenso mannigfaltig und vielseitig sind wie seine Formen. Das mittelalterliche Frankreich und Italien sind hier ebenso oft vertreten wie Japan und China; die altnordische Heldensage gesellt sich hier zu dem altböhmischen Heidentum; das rätselhafte Irland in dem ersten Dämmerschein des Christentums steht hier neben dem ritterlichen Spanien. Doch das Mittelalter drängt sich immer in den Vordergrund, die katholischen Völker und die feudalen Institutionen werden mit besonderer Vorliebe behandelt; gern läIst sich der Dichter von der altertümlichen Volksepik anregen. Eine phantastische Handlung spielt sich gewöhnlich in einer romantischen Umgebung ab, die der Dichter archaistisch und prächtig auszustatten weiIs; die üppige, schwüle Schilderung packt des Lesers Phantasie, die leidenschaftliche, suggestive Handlung erregt seine Teilnahme: Zeyers höchste Kunst besteht eben darin, den Leser in einen poetischen Opiumrausch zu versenken. Wie die poetischen Stoffe so wechseln bei Zeyer auch die litterarischen Kunstgattungen : neben einem wild abenteuerlichen, episch durchaus überfüllten Roman erzählt er eine naive Legende in dem primitiven Stile des kirchlichen Mittelalters; nach einer gewaltsam verwickelten Intrigennovelle bringt er ein äufserst ehrliches autobiographisches Bekenntnisbuch ; auf eine frei improvisierte Verserzählung folgt ein groIses Heldenepos in fragmentarischer Ausführung; zu einem pathetischen Deklamationsdrama spätklassizistischen Schnittes gesellt sich ein zartes, duftiges Proverb; ein kinderhaftes Märchen ist mit einem raffinierten Dokument der modernen Seelenkunde gepaart. Doch Zeyers Gestaltungskraft und Kompositionskunst kann sich mit seiner kühnen Phantasie und seiner feinen Kultur keineswegs messen; selten gibt er mehr als eine freie Paraphrase seiner geschickt ausgesuchten Vorlage; sein poetischer Stil ist eintönig und ermüdend, da er immer dieselben pathetischen und koloristischen Mittel anwendet; seine romantische Psychologie bewegt sich nur in den schroffsten GegenSätzen der sinnlichen Leidenschaft und der reinsten Tugend, des wildesten Hasses und der selbstlosen Hin-