309 poetischen Litteratur geführt. Jaroslav Goll (geb. 1846) hatte, als er im Jahre 1874 zweiundzwanzigjährig in die Redaktion des >Lumir« eintrat, schon manche bedeutende Anregung von der Wissenschaft und dem Leben empfangen. Als sechsundzwanzigjähriger Doktor wurde er in Göttingen ein Lieblingsschüler von Georg Waitz, der ihn die treffsichere historische Quellenkritik gelehrt und auf die weiten Gesichtspunkte des Altmeisters Ranke aufmerksam gemacht hat; dann studierte Goll in BerUn und in England die Geschichte und das Leben, in den Niederlanden die alte Kunst. Mit 29 Jahren hat sich Goll an der noch utraquistischen Universität in Prag habilitiert; und von da an wufste er sowohl als Universitätslehrer als auch als Forscher den historischen Universalismus mit den gewissenhaftesten Detailstudien zu vereinigen. Er interpretiert zugleich die mittelalterliche Geschichte des westlichen Europas und stellt Spezialuntersuchungen über die böhmische Bruderunität auf, dabei berücksichtigt er gesetzmäfsig den organischen Zusammenhang der böhJnischen Geschichte mit der allgemeinen europäischen Entwicklung. Die Kunst und Litteratur interessieren ihn kaum weniger als die sozialen und politischen Verhältnisse ; den Künstler verrät auch sein anmutiger, feingeschliffener Stil, dem eine leichte Ironie innewohnt; zugleich ist Goll ein Meister des eleganten und anschaulichen akademischen Vortrages. Im Grunde ist Goll mit seinem ästhetisch beanlagten Temperament und mit seiner kosmopolitischen Gesinnung geradezu als ein Antipode des nüchternen, patriotisch beschränkten Tomek zu bezeichnen, bei dem man immer an seine juristischen Anfänge denken mufs. Der Ästhetiker Otakar Hostinsky (geb. 1847) ist keine so komplizierte Erscheinung wie Goll; auch in seinen feinsten Untersuchungen über die Lebensbedingungen der modernen Kunst bleibt er ein strenger Gelehrter, ein trockener Kathedermensch. Auch ist er kein origineller Denker, wie auch Durdik oder TyrS keiner war, doch der Herbart'schen Formalästhetik wufste er ganz andere Resultate abzulocken als die durchschnittlichen Herbartianer in Österreich. Er verband den engherzigen Formalismus von Herbart mit der Semperschen Stillehre und mit Wagners musikalischen Grundsätzen und hat sich aufserdem bei Helmholtz und bei Darwin manche Beweisgründe für sein Schönheitssystem und seine Hierarchie der Künste geholt. Doch