- 303 Masse von handelnden Personen ermüdende Chronik »Die Brüderschaft« (seit 1899 mehrere Bände) ganz durchsättigt von der ungesunden Luft des in Ungarn absterbenden Taboritentums. So berücksichtigen Jiraseks beide chronikartigen Kompositionen )F. L. Veh (1888-1907 5 Bände) und »Bei uns« (seit 1896, bisher 4 Bände) die verborgensten und unbedeutendsten mitwirkenden Faktoren des eechischen nationalen Wiedererwachens. Und ähnliches gilt von Jiraseks szenischen Arbeiten, die man kaum gesetzmäfsige Dramen nennen kann, da hier nur eine bunte Folge frei aneinander gereihter Szenen geboten wird, seien sie aus dem ostböhmischen Volksleben, wie in »Vojnarka« (1891), oder aus dem Hussitenkriege, wie in »Zizka« (1903), oder endlich aus der Geschichte der elb-slawischen Volksstämme, wie in »Gero« (1905). Dem trefflichen kulturhistorischen Kleinmaler wird man also sein Lob weder in diesen dramatischen noch in jenen epischen Arbeiten verweigern können, wenn man auch eine tiefere geschichtsphilosophische Auffassung überalbeinahe schmerzlich vermifst. Ganz anders steht es aber um Jirasek den Künstler: seine Psychologie ist seicht und konventionell; seine Erotik ist entweder sentimental oder langweilig; seine Moral ist engherzig und spiefsbürgerlich. Vergebens sucht man bei ihm nach einer tatsächlich heldenhaften Erscheinung, die man rein menschlich bewundern könnte; vergebens nach einem tragischen Schicksale, vergebens endlich· nach einer grofsen Weltidee, die doch bei keinem wirklich grofsen modernen historischen Romandichter, sei es Flaubert oder Tolstoj oder K. F. Meyer fehlt. Aber daheim wollen die begeisterten Anhänger Jiraseks um keinen Preis einsehen, dars eine nicht mehr ferne Zukunft dieser unkritischen Überschätzung ein gar jähes Ende machen könnte. Dann wird man aber wahrscheinlich einen bisher nicht genug beachteten historischen Novellisten, den vortrefflichen Z i k m und W i n te r (geb. 1846), schätzen lernen, der entschieden viel höher als Jirasek steht. Z. Winter selbst, ein Professor der Geschichte an dem altehrwürdigen akademischen Gymnasium in Prag, das schon im 16. Jahrhundert gegründet wurde, betrachtet seine Novellistik als ein blofses Beiwerk seiner fachwissenschaftlichen kulturhistorischen Untersuchungen, in welchen er sich mehr als ein fleifsiger Sammler denn als ein kühner