- 267 daIs er, ein strenger Walter der schonungslosesten Autokritik, ehrlich genug sei, dieses sich selbst zu gestehen. Sein ganzes Verhalten der Öffentlichkeit gegenüber schien diese Annahme zu bekräftigen: nachdem er den lohenden Schmerzen und dem scharf nagenden Zweifel seiner Sturm- und Drangperiode poetischen Ausdruck gegeben hatte, verstummte er als Lyriker und sah als ruhiger Betrachter und wohlwollender Kritiker, wie Halek überall Erfolge erntete, und wie dann später Sv. Cech und J. Vrchlicky zu Königen des cechischen Parnasses ausgerufen wurden; seine litterarische Tätigkeit blieb jahrelang auf Journalistik und auf eine allerdings nur ausnahmsweise groIszügige Novellistik beschränkt. Da schieist auf einmal nach dieser langen Pause, welche die siebziger Jahre ausfüllt, die lebendige Quelle seiner Poesie in reinen und frischen Strahlen empor; der Dichter ver· öffentlicht binnen fünf Jahren drei vortreffliche Gedichtbücher, von denen ein jedes eine neue Saite seiner poetischen Begabung erklingen läIst. Alles, was in seinen unfertigen Erstlingswerken kaum angedeutet war, wird jetzt mit einer sicheren und zielbewuIsten Kunst durchgeführt. Aber, was noch schwerer wiegt - es steht hier vor den staunenden Blicken der litterarischen Öffentlichkeit, welche so lange mit dem willkürlichen Eklektizismus und mit der epigonenhaften Schönmalerei nach berühmten Mustern vorlieb nehmen mu(ste, ein ungemein origineller Künstler von echt nationaler Eigenart und wundervoller Stilreinheit. Der konsequente Vorkämpfer des litterarischen Weltbürgertums von früher, der spöttische Verächter des landläufigen Patriotismus von gestern, erschien auf ·einmal als vollendeter Meister des volkstümlichen Stiles, als intimer Kenner der cechischen Volksseele, ja als ein leidenschaftlicher Bekenner eines patriotischreligiösen Mystizismus, der an die polnischen Romantiker der traurigsten Emigrantenzeit erinnerte. Und endlich: dieser Dichter, dessen poetische Anfänge noch stark von der Spätromantik beeinfluist waren, stellt sich an die Spitze einer neuen realistischen Poetik; tapfer ,emanzipiert sich Neruda von dem üppigen Verbalismus, der schreiend pleinairistischen Koloristik, von der hohlen Rhetorik seiner Zeitgenossen und schreibt gedrängt, knapp, ja wortkarg, wie er es bei Erben und Celakovsky lernen konnte; trifft immer mit einem bezeichnenden Epitheton, mit