- 440 sichtslosigkeit die Geheimnisse der Sinne, des Blutes und der Nerven einer bald lebenstollen, bald lebensmüden Jugend. Ein achtungsloser und vorlauter Verkünder des Lebens und seiner latenten Kräfte ist der als Feuilletonist bedeutende, als Lyriker und Novellist seichte Karel Horky (geb. 1879). Seine Plaudereien, bereits in mehreren Bänden gesammelt, enthalten kleine Stimmungsbilder, anmutige oder grelle Ausschnitte des Alltags, rasch hingeworfene Skizzen verschiedener Stadt- und Landtypen , welchen immer spielende Freiheit eigen ist. Doch Horky, ein fortschrittlicher Journalist, begnügt sich nie mit der Rolle eines nur schildernden Impressionisten; sein brennendes soziales Gefühl, sein volkstümlicher Gerechtigkeitsphanatismus, seine unbestechliche Wahrheitsliebe fordern von ihm stets die Rolle eines anklagenden Richters und Reformers zu spielen: dabei vergißt er über der Wirkung oft die Mittel, er wird geschmacklos, grob, trivial. Zu der anderen Gruppe gehören die feinen Formtalente, die zielbewußten Wortkünstler, die den Wahlspruch der strengen Konzentration stark betonenden Erzähler. Zum Naturalismus, aber auch zum Impressionismus fühlen sie sich im entschiedensten Gegensatz; dafür halten sie an der älteren Tradition der Novelle fest; das Typische, Allgemeingültige tritt bei ihnen wieder in den Vordergrund. Wo sie größere Kunstwerke anstreben, scheitern sie gewöhnlich; in der knappen Form einer Liebesgeschichte oder einer Intrigennovelle liefern sie ihr Bestes; der Gefahr des novellistischen Kunstgewerbes entgehen sie allerdings selten. Als vermittelndes Zwischenglied zwischen dieser Gruppe und dem Geschlechte eines Vilem Mrstik, einer RiiZena Svobodova darf der elegante Stimmungskünstler und feine Stilist Kar eIS e z i m a (eigentlich Karel Kolaf, geb. 1876) bezeichnet werden, der sich in seinem aparten Romane »Passiflora« (1904) als kundiger Psychologe der labilen Frauenseele gezeigt hat. Ein erotischer Spezialist ist auch der Casanovaforscher Fra ntisek Khol (geb. 1879), ein anmutiger und frischer Erzähler, aber schon der Titel seines Hauptwerkes »Illusionisten« (1911) verrät, daß es sich bei diesem Liebhaber der geschlossenen Novellenform weniger um das Liebesglück als um die Liebeswehmut und Liebesenttäuschung handelt. Ganz anders faßt das ewige Liebesthema der sinnliche, ja wollüstige Erzähler Fra n t i s e k