- 412 sich der Meister in solchem Maße, als wenn Saldas synthetische Porträtkunst, die gelegentlich bis hart an die Grenze der Karikatur heranstreift , in wenigen wuchtigen und unvergeßlichen Zügen eine führende Persönlichkeit erfaßt. Um Salda, den unbarmherzigen Kritiker und gefürchteten Polemiker, gruppiert sich eine ganze kritische Schar, die mutig und siegreich gegen das bequeme Epigonentum und den seichten Konventionalismus kämpft. Dieses streitlustige Heer, dessen Waffen scharf und blank geschliffen sind, hat zwei Flügel. Auf dem einen kämpfen sozial und ethisch gesinnte Kritiker, die sich von der Hebung des litterarischen Niveaus und Geschmackes zugleich einen bedeutenden Fortschritt ihres gesellschaftlichen Ideals versprechen, wobei allerdings, oft nur halbbewußt , das böse Teufelchen der Tendenzlitteratur sein Pfötchen zeigt. Der Vorkämpfer der sozialdemokratischen Weltanschauung, der schwungvolle Litterar- und Musikkritiker Frantisek V. Krejci (geb. 1867), der in seinem geistreichen Buche über Smetana (1900) auf eine ganz originelle Weise gegen den Wagnerismus Partei ergriffen und in seinem geistreichen Essay >Zrozeni basnika« (»Die Geburt des Dichters«, 1907) den Entwicklungsgang der modernen cechischen Poesie erörtert hat, liebt es, in seinen oft ganz rhapsodischen Kulturträumen und Herzensergießungen eine glückliche, lebensfrohe soziale Zukunft auszumalen, welche auch die kühnsten Forderungen der modernen Litteratur und Philosophie verwirklichen werde. Von dem Schriftsteller und dem Künstler überhaupt verlangt Krejci, daß sie dieser neuen Renaissance, dieser endgültigen Abkehr von dem christlich-mittelalterlichen Lebensideal , tapfer und eifrig vorarbeiten. Für den trockenen und verbitterten Aktenführer des zeitgenössischen Schrifttums und Theaters, den schonungslosen Analytiker J in d r ich V 0 da k (geb. 1867), liegen die gesellschaftlichen Zukunftsräume in keiner so nebelhaften Ferne. Dieser genaue Philologe und griesgrämige Professor vertritt in der Litteraturkritik vielmehr den ethischen Standpunkt Masaryks, und mit diesem einseitigen, aber strengen Maße mißt er die gesamte neue Produktion, was ihn ebenso gefürchtet als angesehen macht. Die andere Gruppe der Kritiker will mit der ethisch-sozialen Propaganda nicht das geringste gemein haben: es sind im Gegenteil aritisoziale Reinkünstler, exklusive Aristokraten, deka-