- 406 eng mit Comte zusammen - brachte auch der religiösen Bewegung in der protestantischen Welt ein tiefes Interesse entgegen. Als philosophischer Schriftsteller und akademischer Lehrer, der seine Zuhörer zu sich als ein geistiger Rattenfänger von Hameln zu locken wußte, pflegte Professor T. G. Masaryk mit ausgesprochener Vorliebe Ethik und Noetik, Geschichtsphilosophie und Soziologie. Bereits bei seinem ersten Auftreten, dem ganz abenteuerliche Gerüchte vorangingen, brachte der junge Dozent mit den tiefen Augen und mit der weichen slowakischen Aussprache die ganze böhmische Welt in Gärung, und sogleich bildete sich eine Partei für ihn, eine andere gegen ihn. Zuerst wurde er als ein überaus glücklicher und anregungsreicher Organisator der wissenschaftlichen Arbeit in Böhmen bekannt und geschätzt: er begründete zwei kritische Revuen großen Stiles; er beteiligte sich an den Vorarbeiten zu der großen Enzyklopädie »Ottuv Slovnik nauc.nj«, die in den Jahren 1888-1910 in dem rührigen Verlage J. Ottos als achtundzwanzigbändiges Werk erschienen ist; er hat dem Handschriftenstreite, der unter Gebauer nur eine streng wissenschaftliche Fachangelegenheit geblieben wäre, eine allgemein nationale Bedeutung angewiesen; auch der jungcechischen Politik ist er nicht fern geblieben. Seine großen Hauptwerke »Zakladove konkretni logiky« (»Grundzüge einer konkreten Logik«, 1885, deutsch von H. G. Schauer) und »Socialni otazka« (»Die philosophischen und soziologischen Grundlagen des Marxismusc, 1898, deutsch 1899), die sich eines Weltrufes erfreuen, berechtigten T. G. Masaryk, welcher sich gern als ein Geist gab, der stets verneint, zu geringschätzender Aburteilung über die bisherige cechische Wissenschaft und Philosophie, welche sozialen Fragen und ethischen Problemen stets schüchtern ausgewichen war. In seinem Innern mächtig von der moralen und religiösen Krisis des materialistischen und indifferenten Zeitalters ergriffen, ist Masaryk als mutiger Vorkämpfer der öffentlichen Sittlichkeit und des ethischen Gewissens aufgetreten, worin er sich mit Carlyle, Björnson und Egidy berührt. Von diesem Gesichtspunkte aus verurteilt er den Eklektizismus in der Litteratur und den dekadenten Dilettantismus in der Kunst, zu der er übrigens in keinem eigentlichen Verhältnisse steht; weder der französische Naturalismus noch die Romantik konnten dem Verehrer von Tolstoj und