- 382 geständnisse; seinen Anschauungskreis hat er weder erweitert noch seine Psychologie vertieft. Kar e I V. Ra i s (geb. 1859), dessen litterarische Anfänge in das Gebiet der ]ugendlitteratur und der sentimentalen Lyrik mit der patriotischen Tendenz gehören, gibt sich als ein ganz schlichter, bescheidener Schriftsteller, der mit den einfachsten Kunstmitteln arbeitet: seine Schreibart ist ruhig und sachlich, seine Sprache ist volkstümlich und kunstlos, seine dürftigen landschaftlichen Schilderungen sind in Grau gehalten, seine ausführlichen Beschreibungen der ländlichen Hauseinrichtungen , der Feldarbeiten und der ärmlichen Trachten der nordböhmischen Bauern referieren ganz trocken und nicht selten ermüdend; nur der Dialog ist bei Rais lebhaft und fesselnd. Auch ist Rais ein nüchterner Psychologe, der vom physischen sowie vom sozialen Einflusse auf die Volksseele absieht und seine Typen ganz individualistisch vereinzelt. Passive und leidende Charaktere, erniedrigte und gedemütigte Seelen, sieche und verstoßene Greise und Greisinnen, die eine trübselige Existenz im Ausgedinge führen, stumpfsinnige Häusler und Tagelöhner, abgemagerte, auf das Glück ganz resignierende Frauen, hartherzige und gefühllose Bauern, arme Mädchen, die die Großstadt verdorben hat, kränkliche Männer, welche im Leben Schiffbruch erlitten haben und nun heimkehren, um auf dem Lande zu sterben - dies sind die beliebtesten Gestalten in seinen besten Büchern, so in den ~ Vymenkafi« (»Ausgedingen, 1891), den 1>Rodice adeti« (»Eltern und Kinden, 1893) oder in der 1>Lopota« ( •. Plage«, 1895). Einige schmerzvolle Lebensfragen werden hier wiederholt novellistisch behandelt: das trübe Verhältnis der gealterten Eltern und ihrer Kinder, der zersetzende Einfluß der Großstadt auf das Landvolk, der dumpfe instinktive Zusammenhang der Bauernseele mit dem Mutterboden. Rais bringt das wehmütige Lächeln eines sanften Menschenfreundes, das aufrichtige Mitleid eines humanen Volkstümlers, die herzliche Teilnahme eines überzeugten Traditionalisten diesen traurigen Lebensrätseln entgegen; für eine soziologische Analyse, für eine volkswirtschaftliche Kritik der hoffnunglosen Verhältnisse ist bei ihm kein Platz; auch den geschlechtlichen Problemen und überhaupt allen leidenschaftlichen Konflikten geht er meistens aus dem Wege. Naiv sentimental sind seine endlosen Geschichten-