356 begeistert. Als namhafter Übersetzer und hoffnungsvoller Lyriker kehrte er nach Prag zurück, und nach einer kurzen Episode in dem Lehrerberuf nahm er die unbedeutende Stellung eines Beamten des Polytechnikums an, die er dann sechzehn Jahre bekleidete. Im Jahre 1879 vermählte er sieh mit der schönen Ludmilla Podlipska, einer Tochter der Schriftstellerin Sofie Podlipska. Bis zum Jahre 1893 war sein Ehe- und Familienleben äußerst glücklich. Flüchtige Reisen nach Frankreich, Dänemark und Galizien haben nur ganz kurz seine ungeheuer fleißige Tätigkeit als Dichter, Übersetzer und Litterarhistoriker unterbrochen; seit 1893 hielt er als Ehrendoktor und Professor an der cechischen Universität Vorlesungen über die vergleichende Litteraturgeschichte ; in dieser Zeit erreichte er die höchsten Auszeichnungen, die einem Künstler in Österreich zuteil werden können. Inmitten der lebhaftesten Tätigkeit verfiel der Fünfundfünfzigjährige jener Form des Todes, über die er am wenigsten nachgedacht hat, und die der Betrachtung des Philosophen unwert schien, dem Tode durch langes und vergebliches Vegetieren. Fünf Jahre dauerte das Siechtum; am 9. September 1912 starb er in Taus. Das Leichenbegängnis in Taus und in Prag gestaltete sieh zu einer spontanen Nationalfeier. V rchlickys Lebenswerk gleicht mit seinen mehr als hundert Bänden dem mystischen Labyrinth; die äußerst schwierige und dabei verlockende Aufgabe, durch systematische Anordnung, planmäßige Gruppierung, organische Vergleichung den Faden der Ariadne dem bisher ganz ratlosen Leser in die Hand zu legen, harrt noch immer der Kritik und der Litteraturgeschichte, die bisher kaum die dürftigsten Vorarbeiten dazu erledigt haben. Dabei dürfen zwei wichtige Umstände nie außer acht gelassen werden: Vrchlickys Verhältnis zur gesamten romanischen und germanischen Dichtkunst sowie seine poetischen Übersetzungen. Von den ersten Anfängen seiner litterarischen Tätigkeit an, die mit der Gründung der Zeitschrift »Lumir« zusammenfallen, zeigt sich V rchlicky zugleich als schöpferischer Poet und Übersetzer, origineller Dichter und Essayist, poetischer Improvisator und gelehrter Anempfinder; diese Verbindung ist in einer eigenartigen Doppelsehigkeit seines dichterischen Wesens begründet. V rchlicky verdankt seine Dichtkunst halb einer unmittelbaren Inspiration durch Natur und Leben, einer ungemein zarten