- 348 Prägnanz des Ausdrucks, mit solcher lyrischen Kraft und zugleich solch köstlichem Humor, daß man keinen Augtl:nblick an der künstlerischen Begabung dieses knorrigen und prachtvollen Chodensprößlings zweifeln darf. Der langjährige Redakteur des »Lumin, ]osef V. Slädek (1845-1912), ist wohl der anspruchsloseste und vielleicht der tiefste unter den Dichtern des Lumirkreises; nie hat er seine feine Begabung, die ausschließlich lyrisch und meditativ ist, überschätzt, nie hat er sich um die Gunst des großen Publikums beworben, obwohl er es in einem viel höheren Grade als die meisten von seinen Zeitgenossen verdient, volkstümlicher Dichter zu werden; seine vornehme verschlossene Persönlichkeit verhielt sich stets zurückhaltend der Öffentlichkeit gegenüber; nur wenes galt, in den nationalen und politischen Kämpfen seinen Manzu stellen, beteiligte sich Slädek immer mit seiner männlichen und kräftigen Poesie. J. V. Slädek war sein Lebenlang stolz auf sein schlichtes, ehrhaftes Geschlecht der Bauern und Bergleute unterhalb des mittelböhmischen Brdagebirges: von ihnen hat er das tiefe, verschlossene Gefühl, die innig zarte Liebe zu Mutter Erde, den schalkhaften, neckischen Humor geerbt. Dazu gesellte sich eine seltene geistige Kultur: an der englischen Dichtkunst hat er sich gebildet, die er seinen Landsleuten mustergültig vermittelt - ich nenne nur seine fast vollständige Shakespeareübersetzung sowie seine meisterhaften Umdichtungen aus Bums, Coleridge und Longfellow - doch hat er auch das cechische Volkslied gründlich studiert und an Celakovskys Manier anknüpfend genial nachgeahmt und stilisiert. Die großartige transatlantische Natur hat er als junger Mann gesehen und bewundert und wieder die landschaftliche Eigenart seiner Heimat liebevolbeobachtet und besungen; er war eine Zeitlang ein treuer Anhänger und Schül~r Nerudas und wurde später auch von V rchlicky beeinflußt. Sladeks Stärke liegt in seiner intimen Lyrik, die mit den zartesten Mitteln eines nur angehauchten Stimmungsliedes, einfach und schlicht, aber dabei mit geradezu klassischer Intensität das Seelenleben eines ernsten, reifen und sensitiven Mannes wiedergibt: darin ist er N eruda ebenbürtig, von seinen Zeitgenossen sowie den jüngeren Dichtern unerreicht. Als Slädek in seinem dreißigsten Jahre der Öffentlichkeit sein erstes lyrisches Buch