- 315 Szenen sind wirkungsvoll arrangiert, seine männlichen Charaktere haben Wucht, die weiblichen gefühlvolle Anmut; besonders wener die große Katastrophe nach der Schlacht am Weißen Berge, wie in dem Trauerspiele )Prazsky zid« ()Der Jude von Prag«, 1871) inszeniert, wirkt er machtvoll. Aber feinere, eigentlich psychologische Tragik sucht man vergebens; dagegen findet man allzu gewagte Anklänge und Reminiszenzen an seine Vorbilder, besonders an Shakespeare. Dann bemächtigten sich die modernen Franzosen der cechischen Dramatik; Scribe und Augier, Meilhac und Labiche, der jüngere Dumas und S~rdou wurden häufig gespielt und vom Publikum stets mit Beifall aufgenommen; einige prüde und naive Kritiker, wie Pfleger und Jerabek, die übrigens in ihrer litterarischen Praxis von diesen Meistern der Bühnentechnik auch gelernt haben, verdammten ihre »sittenlosen« Stücke, wurden aber deswegen von ihrem litterarischen Widersacher, dem freisinnigen Jan Neruda, in den Augen der Öffentlichkeit lächerlich gemacht, und bald konnte man in der einheimischen dramatischen Produktion von einer französischen Schule sprechen. Dreierlei mußte die anspruchslosen und bescheidenen cechischen Dramatiker in diesen leichten, glänzenden und erfolgreichen Stücken bezaubern: die kunstvolle Bühnentechnik, der geistreiche Dialog, das feine, gesellschaftliche Milieu. Man besaß ja daheim nichts dergleichen: man war bisher herzlich wenig über die technischen Forderungen der Bühne unterrichtet; die elegante Salonkonversation blieb immer ein unerreichtes pium desiderium; das liberale Bürgertum, das sich eben in Böhmen bildete, war weder fein noch salonfähig. So imitierte man einfach das glückliche Ausland. Zwei Gruppen sind da auseinanderzuhalten. Die gutbürgerlichen Dramatiker, die ein vollständiges Analogon zu der bürgerlichen Novellistik bilden, sind bei dem ehrlichen und faden Grübler über verschiedene gesellschaftliche Fragen Emil Augier in die Schule gegangen, andere ließen sich von der schillernden Eleganz des gedankenlosen Routiniers Scribe bestechen. Der eifrigste Scribe-Schüler in Böhmen war der gewandte Journalist E man u e 1 B 0 z d e c h (1841-1889), dessen Ende dunkel und rätselhaft ist; er hat seinem Meister sein technisches Geheimnis, seine oberflächliche Psychologie, seinen scharf geschliffenen, aber inhaltlosen Dialog treulich abgeguckt. Mit