- 300 - Familienbild. Seine edelgesinnten Helden und seine zartfühlenden HeIdinnen handeln und denken nie; sie vergehen fast in ihrer überquellenden Sentimentalität, in einem seltsamen Rausch von Sehnsucht, Zärtlichkeit und Empfindsamkeit; ja, man ist stets geneigt, anzunehmen, daß sie vor lauter erhabenen Gefühlen das einfache Denken gänzlich verlernt haben. Alle sind dabei leidenschatliche Naturfreunde und Schönheitsbewunderer, alle begeistern sich bei jeder Gelegenheit für Berg und Tal, Blumen und Bäume, singende Vögel und rauschende Bäche; alle sind aufrichtige Patrioten, meistens auch warme Slawen. So wirken Heyduks poetische Erzählungen, sei es die ins altertümliche Gewand gekleidete Liebesidylle »Oldfich a Bo~enal/. (1883) oder seine Lebensbilder aus dem Böhmerwalde, wie »Dfevorubec l/. ( ) Der Holzfällen, 1882) und )Bela« (1886), nirgends durch ihre Lebenstreue und durch realistische Charakterzüge; vielleicht auch eben deshalb kann man dem süßen, duftigen Zauber seiner allegorischen Märchen, von denen besonders 7>Dedüv odkazl/. (7)Des Großvaters Vermächtnis~, 1879) berühmt geworden ist, kaum widerstehen. Doch dieser schreibfreudige Poet, der - Rückert nicht unähnlich - zwischen dem Bedeutenden und dem Kleinlichen in seinen eigenen Leistungen nicht zu unterscheiden wußte, versuchte sich auch als Balladist und als monumentaler Historienmaler und wollte sogar auf seiner lyrischen Leier die tragischen Geschicke seiner Nation im dreißigjährigen Kriege besingen (7)Za volnost a virul/., d. h. »Freiheit und Glaube,« 1813). Natürlich scheiterten diese Versuche gänzlich. Es bleibt der Nachwelt vorbehalten, in Heyduks Lebenswerk das Bedeutende, das in seiner lyrischen Kleinkunst verborgen liegt, von dem Wertlosen zu sondern und so zu retten. Während es Adolf Heyduk gegönnt war, ein langes, fruchtbares Leben in beschaulicher Einsamkeit zu genießen und erst in späten Jahren seine reifsten Früchte zu pflücken, mußten zwei von seinen gleichaltrigen poetischen Mitbewerbern allzu früh ihr torsoartiges Lebenswerk verlassen. Es waren die beiden reichbegabten Lyriker Rudolf Mayer und Vaclav Sole, deren dünne Bändchen das edelste Streben nach neuem poetischem Gehalte bezeugen. Der ältere von ihnen, Rudolf Mayer (1837-1865), ver-