- 291 schaftliche Sehnsucht nach der völligsten Hingabe kämpfte in seinem Herzen beständig mit kühlem, analytistischem Verstande, der mit,llem ätzenden Scheidewasser der bittersten Selbstironie das eigene Gefühlsleben zerstört; in seiner Seele erklangen neben den zärtlichsten Akkorden einer echt romantisch-sentimentalen Erotik auch spöttische, bittere Töne eines skeptischen Sarkasmus; - und wenn doch der Dichter endlich den bösen, mokanten Mephisto in seinem eigenen Innern überwand und sich sanft und ergeben seiner Geliebten, die ihn allerdings nie begriffen hat, näherte, so mußten die bei den die traurigen Worte Grillparzers ~wir glühten, aber, ach, wir schmolzen nicht« an sich erleben. Bald ergreift Neruda eine neue Macht und wird zum Schutzgeist seiner Entwicklung: Karolina Svetla. Am Anfang der sechziger Jahre stand die leidenschaftliche Don - Juan - Natur Nerudas in intimem Liebesverhältnis zu der um vier Jahre älteren Frau, der später so berühmt gewordenen Meisterin der Prosaerzählung, die im bürgerlichen Leben die Gemahlin eines tugendhaften, beschränkten Oberlehrers war. Neruda, eine Art Alfred Musset , war damals mit der Welt ganz zerfallen; in Schulden und unwürdige Liebesaffären verstrickt, ohne Glauben an Gotund Menschen, führte er ein dumpfes, trübes Leben. Da wollte ihn seine Freundin, die als Frau hoch über ihrer litterarischen Lehrerin, George Sand, stand, durch ihre läuternde Liebe retten; ihr Tiefblick hat ja schon damals die Bedeutung des jungen Stürmers erraten. ~Sie tropfte Mäßigung dem warmen Blute, richtete den wilden, irren Lauf, und in ihren Engelsarmen ruhte die zerstörte Brust sich wieder auf.« Doch als ihr Werk vollbracht war, trennten sich die beiden , besonders war es Svetla, die die Lästerungen der spießbürgerlichen Umwelt nicht ertragen konnte. Die bei den Dichter tilgten ja selbst alle Spuren ihrer gegenseitigen Liebe und haben eianander nie mehr begegnet. In den Werken von Svetla, wo der Messianismus der weiblichen Aufopferung das ethische Grundthema bildet, zittert allerdings der Nachhall dieses tragischen Liebesromans viele Jahre hindurch nach; dagegen schweigt Nerudas Lyrik vollständig über die befreiende Liebe dieser edlen Frau. Manch zartes Frauenherz fesselte Neruda noch später; aber er trug bis ans Ende die Maske eines kalten und zähen Verstandesmenschen, der für das ruhige Eheleben gar nicht geeignet 19*